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Der „Herr der Orden“

Jürgen A.C. Kreuzer wurde die Sammelleidenschaft quasi in die Wiege gelegt. „Karnevalsorden stellen Arbeiter und Fabrikbesitzer auf eine Stufe“, sagt er.

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Jürgen A.C. Kreutzer gibt rund 7500 Orden ein Zuhause. Foto. Sonja Neukirchen
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„Der Karnevalsorden ist ein Kulturgut“ erklärt Jürgen A.C. Kreuzer, passionierter Sammler dieser bunten, kunstvollen und teilweise sehr edlen Anhänger. Er muss es genau wissen, denn mittlerweile zählen über 7500 Stücke zu seinem Schatz. Kreuzers ältestes Sammlerstück ist von 1836 und wurde von der ältesten Kölner Karnevalsgesellschaft „Die Große von 1823“ verliehen, die in diesem Jahr ihr 200jähriges Bestehen feiert. Von diesem Orden gebe es nur noch eine handvoll und er sei nicht nur seine persönliche Nummer eins, sondern auch laut Katalog des Kölner Stadtmuseums. Sein so genanntes „Welldorfer Ordensmuseum“ hegt, pflegt und sortiert Kreuzer mehrere Stunden täglich, seitdem er vor 13 Jahren in den Ruhestand ging. Sicher ist Kreuzer damit der „Herr der Orden“ von Jülich und darüber hinaus. Zu seinem 50. Geburtstag hat er als Mitglied der KG Schnapskännchen Güsten 1936 dieser selbst einen Orden gestiftet, den er auch entworfen habe: Er zeigt ihn persönlich als „fliegenden Advokaten mit wehender Robe und Tennisschläger“, denn Kreuzer ist Rechtsanwalt und spielt noch regelmäßig Tennis.

Zur Führung im „Ordensmuseum“ gehört auch eine kulturgeschichtliche Einordnung: Karnevalsorden seien eine Persiflage auf die weltlichen Orden. „Der Karnevalsorden ist für den Fabrikarbeiter derselbe wie für den Generaldirektor“, erklärt Kreuzer den eigentlichen Sinn dieser karnevalistischen Auszeichnungen. Der Karneval sei damit anarchisch und auch subversiv. „Drink doch eene mit“, das berühmte Lied der Kölner Band Bläck Föös, bringe das zum Ausdruck – jeder ist gleich in der jecken Zeit. Das leitet sich schon aus der ursprünglichen Bedeutung des Karneval ab, das höfische Leben aufs Korn zu nehmen und wie auch in der damaligen Literatur, den Herrschenden einen Spiegel vorzuhalten – den „Fürstenspiegel“. Aber auch kirchliche Strukturen seien subversiv untergraben worden – kommentiert er die Motti und Motive der zahlreichen Ordensjahrgänge, die er auch in Schränken und Vitrinen aufhebt. Insgesamt um die 120 Gesellschaften sammle er, mit den regionalen Schwerpunkten Jülich (10 Gesellschaften), Aachen (über 30 Gesellschaften) und Köln (über 70 Gesellschaften). Aber auch die beiden ältesten Münchener Gesellschaften (Damische Ritter und Narhalla) gehören dazu. Er sammelt nicht unbedingt zur Freude aller Familienmitglieder, aber mittlerweile mit einer Portion „Akzeptanz und Anerkennung“, schmunzelt Kreuzer, der die Ordens-Reihen mit Akribie auf Flohmärkten, in Internetbörsen und mit Hilfe der Gesellschaften vervollständigt und katalogisiert. Die Eigenschaften, die ein Sammler dazu mitbringen müsse, klingen dabei wenig anarchisch, sondern mehr nach Disziplin: gut strukturiert müsse man sein, ein gutes Gedächtnis haben, unglaublich viel Zeit investieren, und auch mal „nein“ sagen können, wenn ein Orden nicht in die Sammlung passe.

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Entlang der Flure zu seinem „Allerheiligsten“ – dem Keller der Orden – können Besucher die zu bunten Vorhängen zusammengehängten Exponate bestaunen: teils edel, teils im Design der 60er und 70er Jahre, mal aufwendig, mal schlicht, mal politisch und manche sogar frivol. Auf die Frage, wie sich die Ordensherstellung im Laufe der Jahrhunderte verändert habe, scherzt er: Die von Lich-Steinstrass sehen heute noch aus wie „Monstranzen“. Das könne sich aber nicht jede Gesellschaft mehr leisten und die meisten Orden seien keine hohe Goldschmiede-Kunst mehr, sondern so genannte Prägeorden aus China beziehungsweise Fernost. Aber natürlich gebe es auch noch die Sonderanfertigungen für die Funktionärsorden. Das war früher anders: Er zeigt mir Stücke, die aufgrund der Anzahl der beweglichen Teile wertvoll und aufwendig sind. Besonders ehrfürchtig nimmt er sein Lieblingsstück in die Hand: Zwei Perdsköpp a Kolon, ein aus dem Stück geschnittener Orden von 1912, ebenfalls von „Die Große von 1823“ und gleichzeitig „große Goldschmiedekunst aus Messing“, erklärt Kreuzer. Ebenfalls ein Favorit: der Jubiläumsorden der KG ULK Jülich von 1927, der ältesten Jülicher Karnevalsgesellschaft, deren Ordensarchiv er ebenfalls beherbergt.

Wie fing das eigentlich an? Im Prinzip schon bei der Geburt, erklärt der in Aachen gebürtige Kreuzer, der seit über 30 Jahren in Jülich-Welldorf lebt: Sein Großvater – selbst im Aachener Karneval aktiv – habe ihn kurz nach seiner Geburt nicht nur sofort bei Alemannia Aachen angemeldet, sondern auch den Orden seines Geburtsjahrgangs 1952 vom Festausschuss Aachener Karneval umgehängt. So richtig losgegangen sei es dann, als er auf einer Karnevalsmesse in Köln einen Grundstock an Festkomitee-Orden des Kölner Karnevals günstig erstanden habe. Da war er selbst bereits Mitglied der KG Güstener Schnapskännchen, wo er seit 29 Jahren Senatspräsident sei. Außerdem gehört Kreuzer unter anderem dem Kleinen Rat der KG ULK Jülich an und hatte als „Kehrmännchen“ in der Bütt die Lokalpolitik über die Bühne gefegt, in der er im Übrigen auch selbst engagiert war. Seine Sammlung an CDU Orden ist ebenso bunt wie erheiternd, denn auch eine „staatstragende Partei wie die CDU hat sich selbst auf den Arm genommen“, kommentiert Kreuzer. Insbesondere die Orden der so genannten Themengesellschaften sind heute schon eher museal: Damals hätten die einzelnen Berufsgruppen und Gewerkschaften ihren eigenen Karneval gefeiert, erklärt Kreuzer und zeigt Orden der Buchdrucker oder der „Kölner Radioten“ vom WDR.

Schnell ist erkennbar: Viel Platz ist jetzt nicht mehr in der ehemaligen Einliegerwohnung von Kreuzers Haus, die zum Ordensmuseum umfunktioniert wurde. Wie geht es denn weiter mit der Sammlung? Durch Corona sei ohnehin eine Zäsur entstanden und damit eventuell Zeit, aus den unterbrochenen Reihen auszusteigen. Ob er diesen Entschluss, über den sich wahrscheinlich seine Frau am meisten freuen würde, auch umsetzen kann?


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