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Udo Lenzig

Gemeindepfarrer mit außerordentlichem Wohnsitz Barmen.

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Udo Lenzig. Foto: la mechky+
Udo Lenzig. Foto: la mechky+
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Unser Gespräch eröffne ich mit einer Frechheit: „Als Pfarrer bist Du höchst vertraut mit den zehn Geboten, kennst Du denn auch das elfte?“ Er zögert nur einen kleinen Augenblick, lächelt und nennt es: „Du sollst nicht langweilen!“
Spannenden Religionsunterricht hat er 25 Jahre lang am Mädchengymnasium in Jülich gegeben. Als Schulpfarrer und Schulreferent hat er sich zudem auf der Achse zwischen Schule und Kirche um Fortbildung und administrative Aufgaben gekümmert.

Peer: „Bilden die evangelischen Schülerinnen am MGJ denn nicht eine Minderheit?“
Udo: „Mit 20 Prozent entspricht ihr Anteil ungefähr dem Jülicher Bevölkerungsdurchschnitt. Ich fühlte mich als evangelischer Religionslehrer in der katholisch geführten Schule sehr willkommen und wohl.“

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Schon seit seinem Vikariat ist ihm Jülich bestens vertraut. Im August 2015 wird er Gemeindepfarrer in Jülich. „Ich wollte mit 50 Jahren noch einmal etwas anderes machen; und ich freute mich sehr auf die Zusammenarbeit mit der Jülicher Kirchengemeinde und meinem Kollegen Horst Grothe. Beide waren mir ja schon lange vertraut.“
Udo Lenzig erklärt mir den Unterschied zwischen einer Funktionspfarrstelle, worunter Schul-, Gefängnis-, Fernseh- und Krankenhauspfarrer zu verstehen sind, und einer Gemeindepfarrstelle. Grundsätzlich müssen Gemeindepfarrer in den kircheneigenen Pfarrhäusern wohnen. Da er aber zu der Zeit, als er noch Funktionspfarrer war, in Barmen ein Haus gebaut hat, hat die Evangelische Kirchengemeinde Jülich das zweite Pfarrhaus verkauft, so dass er in seinem Haus wohnen bleiben kann. Im Ortsteil Barmen fühlt er sich sehr wohl. Insbesondere liebt er die Nähe zur Natur und den Barmener See. Wenn er kann, beginnt und beendet er den Tag mit einer Hunderunde um den See. Da kommen ihm die besten Gedanken, auch für seine Arbeit.

Peer: „Kann sich ein Pfarrer ein oder gar mehrere Hobbys leisten? Und wenn ja welche(s)?“
Udo: „Warum nicht? Mein Hobby ist Laufen, am liebsten gemeinsam mit unserem Hund.“

Peer: „Wie stehst Du zum Verhältnis Kirche und Weltpolitik? Gibt es Situationen, in der die Kirche stillhalten muss? Oder nicht stillhalten darf?“
Udo: „Die Kirche soll sich einmischen, sie hat für die Gesellschaft ein ,prophetisches Wächteramt‘ wahrzunehmen. Sie beobachtet kritisch das Weltgeschehen und wenn sie merkt, da läuft etwas aus dem Ruder, hat sie die Aufgabe, darauf hinzuweisen. Aber die Kirche sollte sich hüten, auf komplexe politische Fragen undifferenzierte einfache Antworten zu geben.”

Peer: „Wie übt die Kirche ihr ,Wächteramt‘ aus? Nur mit Worten?“
Udo: „Die Macht der Kirche ist die Macht des Wortes. Eine andere Macht haben wir nicht. Klar, wir haben noch die Möglichkeit des politischen Widerstandes. Nicht zufällig haben wir unser Gemeindehaus nach dem Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer benannt. Aber die Kirche im Dritten Reich war doch in einer ganz anderen Situation als die Kirche heute in der BRD. Das kann und sollte man nicht vorschnell miteinander vergleichen. Die Kirche bezieht Stellung im Sinne ihres Auftrages, der grob gesagt darin besteht, Gottes Gebote zu befolgen, die Erde zu erhalten und das Leben zu schützen.“

Peer: „Welche Chance siehst Du im Konfirmationsunterricht?“
Udo: „Die Chance liegt im Kontakt zu den Jugendlichen. So können wir über Religion ins Gespräch kommen, Vorurteile abbauen und zeigen, dass auch die Kirche im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ich sehe in der christlichen Religion eine mögliche Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens: Was trägt mich eigentlich im Leben – und im Sterben? Weil ich diesen Dialog mit den Jugendlichen sehr schätze, habe ich gerne in der Schule gearbeitet.
Über den Konfirmandenunterricht hinaus haben in unserer Kirchengemeinde die Jugendarbeit intensiviert, um möglichst vielen Jugendlichen ein attraktives und sinnvolles Freizeitangebot zu machen.“ Udo zeigt mir die Artikel im aktuellen Gemeindebrief, in denen sich die beiden neuen Jugendmitarbeiterinnen, Bettina Hippe und Asya Stobbe vorstellen. „Die Jugendlichen können unser Gemeindehaus für sich als einen Ort entdecken, an dem sie sich wohl fühlen, an dem sie Wert geschätzt werden und der für sie vielleicht ein bisschen zur „Heimat“ wird.“

Peer: „Wie wichtig findest Du den Kontakt zu anderen Konfessionen?“
Udo: „Sehr wichtig, darum freue ich mich, dass der ökumenische Austausch in Jülich sehr gut ist. Die Zukunft des Christentums liegt im Miteinander der Konfessionen, nicht im Gegeneinander. Letztlich stehen wir für die gleiche Botschaft ein.“

Peer: „Wie ist Deine Einstellung zur Aufnahme von Asylbewerbern in Jülich?“
Udo: „Das ist eines der komplexen Themen, auf die ich keine schnelle Antwort geben kann. Nur so viel: Asyl ist ein Menschenrecht!“

Ich lasse nicht locker, ob er vielleicht ein Erlebnis berichten könne. Udo: „Es kommen häufig Moslems in die Gemeinde und möchten evangelisch getauft werden. Mir fallen die Sprachbarrieren auf. Wie lange muss man in einem christlichen Kontext leben, um bewusst sagen zu können: >Ich will Christ werden?< Das sind ja schon recht unterschiedliche Kulturen und Weltbilder. Aber wer sind wir, dass wir ein Taufbegehren ablehnen dürfen?“
„Und, habt Ihr Asylbewerber getauft?“ „Ja, etwa ein Dutzend Personen, einige nehmen auch regelmäßig an unseren Gottesdiensten und am Gemeindeleben teil.“ Dann kommt für mich die Überraschung. „Wir gewähren derzeit drei Frauen aus Eritrea Kirchenasyl.“ „Wo, in der Kirche?“ „Hier in der ehemaligen Dienstwohnung des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses.“ „Dürfen die Frauen die Wohnung nie verlassen? 60 Quadratmeter Deutschland?“ „Außerhalb der Wohnung beginnt an sich der rechtsfreie Raum. Aber de facto müssen die Frauen nicht fürchten, vor dem Eingang des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses von der Polizei abgefangen zu werden.“

Peer: „Was wünschst Du Dir für die Jülicher Gemeinde?“
Udo: „Ich wünsche mir eine lebendige Gemeinde. Wir brauchen Menschen, die sich Aufgaben der Kirche zu eigen machen, Freiwillige und Ehrenamtler. Das können nicht alles Horst Grothe und ich stemmen. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Menschen in unserer Kirchengemeinde wohl und willkommen fühlen.“

Peer: „Was ist das Schwierigste an Deinem Beruf?“
Udo: „Den vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Gemeindemitglieder spiegeln das Spektrum der Bevölkerung wider. Von sehr liberal bis sehr konservativ. Da ist es fast unmöglich, allen Wünschen und Ansprüchen gerecht zu werden. Menschen sind wie sie sind und ich bin wie ich bin.“

Peer: „Pfarrer sein – was steht im Vordergrund? Beruf oder Berufung?“
Udo (lächelt): „Wo ist denn da der Unterschied?“

Peer: „Das wäre ein wunderbares Schlusswort und mir war schon immer klar, dass Du Dir hier nicht den Lenz machst, aber wir haben noch eine Alibifunktion zu erfüllen. Weißt Du, wo Dein Name Lenzig herrührt und ob er überhaupt etwas mit dem Lenz, dem Frühling zu tun hat?”
Udo: „Der Name ist sehr selten, kommt hier im Rheinland abgesehen von meiner Familie nicht vor. Meine Vorfahren väterlicherseits stammen aus dem ehemaligen Ostpreußen. Mit der Flucht kam der Name dann über mich hierher ins Rheinland. Die Übersetzung von „Lenzig“ wäre frühlingshaft. Ob das aber einer ethymologischen Prüfung standhalten würde, weiß ich nicht.“

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Peer Kling
Peer Kling, typisches "KFA-Kind", nicht aus der Retorte, aber in der zweiten Volksschulklasse nach Jülich zugezogen, weil der Vater die Stelle als der erste Öffentlichkeitsarbeiter "auf dem Atom" bekam. Peer interessiert sich für fast alles, insbesondere für Kunst, Kino, Katzen, Küche, Komik, Chemie, Chor und Theater. Jährlich eine kleine Urlaubsreise mit M & M, mit Motorrad und Martin.

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