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Unterwegs mit Nikolaus

Froher, hoher Besuch

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Foto: Dorothee Schenk
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Aufgeregt flitzen die Kinder durchs Haus. Hoher Besuch steht an… Der Nikolaus wird erwartet und so stehen die Mädels und Jungs schon sauber, adrett und mit gekämmten Haaren parat, spinxen immer wieder durch die Fenster, ob er denn noch nicht zu sehen ist, der (h)eilige Mann. Schließlich hat er gerade Hochsaison.
Da klingelts. Der Nikolaus steht da, wie sie ihn kennen und lieben: Mit seinem klassischen roten Mantel und langem weißen Bart. Und er kommt nicht alleine: Knecht Ruprecht, der alte Gesell, in braunes Sackleinen gehüllt und mit wirren schwarzen Haaren, begleitet ihn. Er wirkt ein bisschen furchteinflößend und da halten die Kinder schon gerne Abstand.

„Angst haben sie nicht, würde ich sagen. Aber Respekt“

sagt der Knecht, der auch als Hans Muff bekannt ist. Das läge natürlich daran, dass sie vor allem von Familien eingeladen würden, die ihre Kinder entsprechend vorbereiteten, „das heißt, dass die Kinder auch diese Ehrfurcht haben.“
Nikolaus versteckt sich hinter dem bürgerlichen Namen Franz Goebbels, und der finstre Gesell Ruprecht hinter dem Pseudonym Udo Goebbels und lebt in Bourheim. Tief beeindruckt zeigte sich die Mitwelt, dass der Nikolaus auch eine Handynummer hat, die der Redaktion sogar bekannt ist. Aber ohne Termin geht es eben nicht, Zwischen 5. und 7. Dezember sind die Brüder von 10 Uhr früh bis 10 Uhr abends non stop unterwegs. Am Steuer des hauseigenen „Schlittens“ sitzt Knecht Ruprecht und lenkt nicht die Rentiere, aber die Pferdestärken sicher durch das Jülicher Land und darüber hinaus durch die Städteregion Aachen. Dank der modernen Technik muss er sich nicht mehr an den Sternen orientieren. Er greift auf ein modernes Navigationssystem zurück und koordiniert via Computer und Handy die Terminflut. Alles andere ist Tradition – aus Überzeugung, wie der muffige Ruprecht erklärt: „Wir achten sehr auf unseren Auftritt. Nikolaus in Turnschuhen – das gibt es bei uns nicht.“

Foto: Dorothee Schenk
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Beim Hausbesuch: Der heilige Mann sitzt mit seinem aufgeschlagenen DIN-A3-großen, goldenen Buch da, schnauft dabei wie Darth Vader ohne Atemmaske und streicht sich durch den Bart, während er konzentriert die Zeilen studiert. Was die Kids natürlich nicht wissen: Die Eltern haben ihren Nikolaus nicht nur mit der „süßen Tüte“ versorgt, die im Anschluss an die Ansprache übergeben wird, sondern eben auch mit den nötigen Fakten über das Wohl- und Weheverhalten ihrer Kinder: „Ich habe gesehen, Du hilfst immer Deiner Schwester“, spricht der Nikolaus, während er in seinem Buch liest. Der fünfjährige Blondschopf vor ihm zuckt mit den Schultern, guckt etwas ratlos, aber als der heilige Mann zu ihm hochschaut, fängt er heftig an, mit dem Kopf zu nicken. So ist das eben, wenn Erwachsene ihre Kinder betrachten.
Rügen gibt es für unaufgeräumte Zimmer, nicht gemachte Hausaufgaben und ungebührliches Verhalten. Der Rotberockte hebt auch schon mal ein wenig die Stimme, redet dem Kind ins Gewissen.

Foto: Dorothee Schenk

Da kann aus der Ehr-Furcht schon mal handfeste Furcht werden. Die Folge: Ein Kind hatte sich einmal vor lauter Aufregung übergeben – glücklicherweise nicht über die Kleidung der Ehrengäste, „sonst wäre der Abend für uns gelaufen gewesen“. In der Großelterngeneration drohte man den Kindern ja noch damit, sie „in den Sack zu stecken“, da gehen Nikolaus und Ruprecht doch etwas milder vor. Dafür schlüpft Knecht Ruprecht auch mal in die Rolle des etwas Einfältigen. „Wieviel ist denn 6 x 2?“, fragt etwa der Nikolaus. Und wenn Ruprecht seine Finger zu Hilfe nimmt, dann fühlen sich die Kinder, die eben noch Schelte eingesteckt haben, plötzlich gar nicht mehr so übel und finden ihr Lächeln wieder. Und doch ist nicht alles ein Spiel: „Wenn das nicht besser wird…“, ein strenger Blick geht zwischen weißen Augenbrauen und Vollbart in Richtung Kind: „Wir brauchen im Himmel noch Holzhacker!“ Natürlich ist dem weisen Mann klar: „Was in der Erziehung versäumt wird, kann der Nikolaus nicht richten. Und die guten Vorsätze enden meist, wenn die Geschenke ausgepackt sind.“ Einmal, verrät Knecht Ruprecht, sind sie darum auch bei einem einfach Unverbesserlichen tatsächlich in der dritten Dezemberwoche noch einmal zurückgekommen. „Wir brauchten gar nicht viel zu tun“, erzählt der wilde Geselle schmunzelnd. Lange hätten sie noch Kontakt zu der Familie gehabt und tatsächlich der zweite Besuch eine Verhaltensveränderung herbeigeführt.
Apropos langer Kontakt: „Bei manchen Familien sind wir schon in der zweiten Generation. Da kannten wir die heutigen Eltern schon als Kinder und können natürlich auch sagen: Dein Vater war nicht anders.“ Seit 33 Jahren bereits sind die (fast) Zwei-Meter-Männer als Gespann im Jülicher Land und auch darüber hinaus in der Städteregion Aachen unterwegs. Begonnen hat alles, weil die Nachbarskinder damals durch den Nikolaus beglückt werden sollten. Die Rollenverteilung zwischen Udo und Franz war schnell klar, weil der Ältere anfangs eher Entertainer-Qualitäten hatte. So wuchs das Duo ganz natürlich zusammen.
Einziger Wermutstropfen: Die eigenen Familien, denn auch Nikolaus und Ruprecht haben Frau und Kinder. „Wir waren immer da, aber nie dabei“, bedauert Knecht Udo Ruprecht. Lange haben seine Söhne nicht gewusst, dass Papa unter der braunen Robe steckt. Heute sind sie stolz auf ihn. Und schließlich: „Zu sehen, wie sich die Kinder über unseren Besuch freuen, ist das Größte überhaupt!“


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