Start Magazin Titelstory Wie ich lustig wurde

Wie ich lustig wurde

Oder, wie ich blau und weiß auch im Rheinland fand

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Lustig ist das Leben | Foto: HERZOG
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Der Norden. Alster. Wasser. Rudern. Segeln. Kiez. Hamburg. Multikulturelle Hansestadt. Die bunte Mischung an Nationalitäten hat sich nicht nur im Stadtbild wiedergespiegelt, sondern uns Nordlichter auch kulinarisch bereichert. Inder und Marokkaner auf der „Langen Reihe“ in St. Georg; der Italiener Cuneo auf dem Kiez, der Syrer im Stadtteil Eimsbüttel. Gesehen haben wir Hamburger also schon einiges. Wir zelebrieren jedes Jahr das japanische Kirschblütenfest rund um die Außenalster mit einem riesigen Feuerwerk zum krönenden Abschluss.

Und auch verkleidete Menschen kennen wir. Einheitlich, um ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Vereinen zu zeigen. Da hab ich mein blau-weiß gefunden. Meinen HSV. Oder die Verkleidung, die eine Illusion schafft. Bei Nacht auf dem Kiez schön anzusehen.

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Aber Karneval? Was ist Karneval? Ich erinnere mich dunkel an seltene Veranstaltungen, die wir „Fasching“ nannten, und die mir im Nachhinein wie konspirativ organisierte Geheimbundtreffen vorkommen. Man traf sich tatsächlich verkleidet. Und der Phantasie waren hier keine Grenzen gesetzt. Da verwandelten sich doch tatsächlich kühle, blonde Nordlichter in wilde Indianer und heißblütige Piraten und Zigeuner. Und manche, na ja, die blieben beim lieben Prinzessinnen-Kostüm. Ach, ja, und es feierten nur die Kinder. Ich kann mich an keine feiernden Erwachsenen erinnern, geschweige denn sogenannte Proklamationen mit Alkoholkonsum.

Nun habe ich ja nach Hamburg noch viele Jahre in Paris und London gelebt und gearbeitet, aber auch dort… kein Karneval. Erst mein Umzug nach Köln hat mich in eine neue Welt katapultiert. Was war das für eine schnodderige Art des Umgangs. So ganz anders als unsere hanseatische Zurückhaltung. Da wurde man mit Weisheiten, wie „Et kütt, wie et kütt“ und „Et hätt noch immer jot jejange“ konfrontiert. Man mag glauben, dass Paris und London DER Sprung in eine fremde, neue Welt waren. Nein, es war nicht so. Hier im Rheinland wurde ich nicht verstanden, weil ich einen Feudel kaufen wollte. Oder für mein Frühstück, wie üblich ein Franzbrötchen bestellte. Diese ungläubigen Blicke. Mittlerweile weiß ich, dass es Franzbrötchen hier nicht gibt und wenn man mal putzen will, besser einen „Aufnehmer“ verlangt. Mit all dem habe ich mich arrangiert. Aber Karneval?

Mittlerweile von Köln nach Jülich oder besser nach Koslar gezogen, kam der nächste Kulturschock. Hier kam zum Karneval mit all seinen Ritualen und Gepflogenheiten noch das Dorf als solches hinzu. Ich war nicht nur „nicht von hier“ und dachte, die meinen nicht aus Jülich, nein, ich war nicht aus Koslar! Bis dahin habe ich nicht gewusst, dass es solche Unterschiede zwischen Jülich und den Dörfern, in meinem Fall Koslar, gibt. Und dann die Sessionseröffnungen in der Bürgerhalle. Zig Menschen, die sich alle kannten und alle irgendwie miteinander verwandt, verschwägert zu sein schienen. Dass die Menschen verkleidet waren, war mir ja bekannt. Aber wieso sahen manche wie Gardisten aus? Und wieso waren da drei, die einen Prinzen, Bauern und eine Prinzessin darstellten? Und wieso als Mann? Einige rübergereichte Schnäpse und Erklärungen später war ich bestens aufgeklärt und begann dieses Zeremoniell Karneval langsam zu verstehen. Da hatte es mich aber noch längst nicht in „die Stadt“ gezogen. Jülich war noch fern.

Da kam Kerstin in mein Leben. Auch aus Koslar und offen und tolerant Zugereisten gegenüber, ihnen eine andere Welt zu zeigen. Unsere Freundschaft und Verbundenheit, die uns einiges zusammen erleben und durchstehen ließ, begann. Und es kam Schlag auf Schlag. Irish Pub, Kuba und CCKG. Was war das für ein Karneval. So anders und unkonventionell, dass ich mich da so schnell heimisch fühlte, dass meine Kinder irgendwann die beginnende Karnevalszeit mit den Worten kommentierten: „Früher ist sie nicht rausgegangen, jetzt wird sie zum Partylöwen…“

Aber, was soll ich sagen, ist doch wie in Hamburg. Eine so kunterbunte Mischung an Menschen, Freunden, Charakteren mit ihren Eigenarten, schrullig, exzentrisch, liebenswert, streitbar, vorlaut, zurückhaltend, witzig und so unterschiedlichen Alters, dass es wiederum als sehr homogen und irgendwie „normal“ zusammenpasst. Ach ja, und auch hier wieder „blau und weiß“. Bei unseren CCKG-Sessionseröffnungen und Sitzungen wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass es dort ein Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Gemeinschaft gibt. Mit Manchen nur zu diesem Anlass, mit Anderen wiederum häufiger und auch zu anderen Gelegenheiten, aber, eben eine schöne, gemeinsame Zeit. Ach, ja, und sie ist lustig diese Zeit. Ich ertappe mich dabei, diese Zeit als „Termin“ und „Ereignis“ in mein Leben einzuplanen. Es sind geblockte Termine mit eigener Priorität. Obwohl eigentlich zurückhaltende Hanseatin, scheine ich bei anhaltender Begeisterung schon mal in Worten zu schwelgen und so habe ich mir als Kommentar unseres Präsidenten auf meine Komplimenten-Lobdudelei, „wie schön, so schön, nä, wie war dat schön…“ angehört „biste noch öm…“ Somit belasse ich es mit weiteren Freudigkeitsbekundigungen zum Karneval und scheine gewappnet für eine neue Session 2013 mit unserer CCKG und werde mutig auch Sitzungen anderer Vereine besuchen und mit Sicherheit ein großes Gefühl von Lustigkeit nicht verstecken wollen. In diesem Sinne, kommt und seht selbst.

 


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