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Witzigkeit kennt keine Grenzen, kennt kein Pardon

Auch und gerade in Jülich!

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Ein lustiger Herzog aus Jülich | Grafik: HZG
Der Herzog kann auch Lustig sein | Grafik: HZG
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Gibt es einen spezifischen Witz und Humor in Jülich? Begeben wir uns auf eine nicht ganz einfache Spurensuche. Jülich wurde um Christi Geburt gegründet, kann also auf eine gut 2000-jährige Geschichte zurückblicken. Im Schatten der römischen Provinzhauptstadt Köln entwickelte sich der Ort in der Kaiserzeit (2./3. Jahrhundert n. Chr.) zu einer ansehnlichen Siedlung mit etwa 1500 Einwohnern. Römische Kultur und Lebensart dürften hier tief verwurzelt gewesen sein. Die Römer sind für ihre ausschweifenden Festlichkeiten und ihre Lust an der Satire bekannt, aber wirkt so etwas wirklich nach – und wie lange?

Mancher Forscher hat in Bezug auf Witz und Humor weit zurückreichende Traditionsstränge angenommen, belegen lassen sich diese jedoch nicht. Immerhin gibt es Analogien, so im Bereich der Karnevalsbräuche. Zu bedenken ist jedoch, dass die durchgreifende Christianisierung unseres Raumes seit dem Frühen Mittelalter für Brauchtum und Lebensgefühl vollständig neue Bezugspunkte geschaffen hat. Zudem: Das typisch rheinländische, das selbstredend für Jülich gilt, entstand erst im 19. Jahrhundert mit der preußischen Herrschaftsübernahme im Rheinland. Erst dann bildete sich in Abgrenzung zu Preußen eine rheinische Identität aus. Wie diese funktioniert, mag eine Anekdote aus dem für Preußen so typischen militärischen Bereich verdeutlichen: In einer Kompanie ist ein Rheinländer, der ob seiner Herkunft und vor allem seines Dialekts, von den anderen gehänselt wird. Als es diesen selbst zu viel wird, reichen sie dem Rheinländer ihre Hände zur Entschuldigung und versichern ihm, ihn von nun in Ruhe zu lassen. Gelassen antwortet der Rheinländer: „Es jot, dann bruch ich üch och nit mieh en de Kaffee ze pisse.“ Hier zeigt sich der Rheinländer von seiner ordinären Seite, die sich auch gerne im Niveau der Witze im Karneval Bahn bricht.

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Ein weiterer Wesenszug, der erkennbar wird, ist die ungrebremste Schadenfreude. Die rheinische Mundart kennt dafür einen Ausdruck: „jrielaache“ oder „jriemeln“ (griemeln), was das Rheinische Wörterbuch als „verschmitzt, schadenfroh, heimtückisch, gehässig in sich hineinlachen, insbesondere spöttisch anlachen“ umschreibt. Nun ist Vorsicht geboten, heutige emotionale Reaktionen in die Vergangenheit zu projizieren bzw. dort an belegten Aussagen festmachen zu wollen. Der Schadenfreude und dem Spott begegnet man aber tatsächlich schon bei den Römern.

Ein bemerkenswertes Zeugnis etwas jüngerer Zeit sind die tagebuchartigen Aufzeichnungen des Kölner Bürgers Hermann Weinsberg aus dem 16. Jahrhundert. Hier fällt die Situationskomik auf, die sich aus einer gewissen Schlagfertigkeit speist. Ein Beispiel aus dem Jahr 1528: Die Eltern von Hermann Weinsberg betrieben einen Weinausschank. Eine alte Frau hatte 13 Pinten Wein getrunken, weigerte sich aber den vollen Betrag zu entrichten mit der Begründung „In meinen Leib gehen nicht mehr als 12 Pinten.“ – „Es wurde gelacht, und es blieb dabei.“

Um einiges ernster war eine Episode aus dem Jahr 1582. Der Graf von Neuenahr befand sich wegen seiner protestantischen Gesinnung im Streit mit der Stadt Köln. Als dieser nun von Deutz über den Rhein setzte, beschossen ihn die Kölner mit Eisenkugeln. Während der Kölner Erzbischof darüber schwer erbost war, bemerkte der Kölner Domherr Graf von Tegen trocken: „Das wäre das Weihwasser aus Köln gewesen“.

Vergleichbares haben wir für Jülich erst aus den Jahren um 1800 mit dem deutlich weniger umfangreichen Tagebuch des Privatlehrers Johann Krantz vorzuweisen.

Auch hier finden wir die spöttische Zunge der Zeitgenossen. Nun muss man wissen, dass Krantz wenig von den Franzosen hielt, die seit 1794 in Jülich, wie im gesamten linken Rheinland das Sagen hatten. Die politischen Folgen der französischen Revolution lehnte er weitgehend ab. Im April 1798 wurde auf dem Jülicher Marktplatz ein neuer Freiheitsbaum gepflanzt. Genüsslich bereitet Krantz das Szenario aus: „Die ganze Munizipalität erschien in ihrer Amtskleidung, der Präsident Königs namentlich trug einen hinten einmal aufgeschlagenen, mit langen Federn nach Art der alten Ritterhüte gezierten Hut. Da der Baum (eine Eiche) gepflanzt war, hielt der Abgeordnete der Zentralverwaltung namens Schommer eine Rede zu der versammelten Volksmenge, wovon aber, wie laut er redete, wegen dem Geschwätz und Geräusch wenig zu verstehen war; doch war dieser Ausdruck merkwürdig: dass der neu gepflanzte Baum himmelhoch wachsen und der Bürger unter seinem Schatten Glück und Segen finden sollte. Ein kühner Student erwiderte darauf: und die französischen Schweine die abfallenden Eicheln darunter aufsammeln sollen.“

Unbestreitbar findet sich der Rahmen für Witz und Humor des Jülichers wie des Rheinländers insgesamt in seiner ausgesprochenen Feierlaune. Gerade der preußische Staat tat sich mit diesem Umstand schwer, wie zeitgenössische Beschreibungen zeigen. So hielt Johann Nepomuk von Schwerz 1820 zur Charakterisierung des Jülicher Landvolks fest: „Der Landmann ist hier weniger tätig und fleißig als in den Gegenden, in welchen der Boden schlechter ist. Er hat viel Neigung zu Schmauserei und Trinkgelagen und ist ein großer Freund von Kirmeshalten und anderen Festlichkeiten…“. Bei Carl Brockmüller heißt es 1836 in seiner Beschreibung von Stadt und Kreis Jülich dagegen mit erkennbarem Wohlwollen: „Der Charakter der Einwohner ist vorherrschend sanguinisch (fröhlich und lustig), mit phlegmatischer (träge und schwerfällig) Beimischung. Die gewöhnliche Mundart ist ein weiches, gezogenes Plattdeutsch … der holländischen Sprache in etwa ähnlich. – Auch der gebildete Eingeborene liebt diesen Dialekt, besonders in geselligen Kreisen, wo er die Unterhaltung sehr zuträglich und gemüthlich macht.“

Die personifizierten Jülicher Witz(e)figuren sind „Julius“ und „Julia“, vergleichbar den Kölner Archetypen Tünnes und Schäl, aber verschieden, da es sich um Mann und Frau handelt. Hier kann der ewige Geschlechterkampf unmittelbarer als in Köln eine weitere Quelle des Humors darstellen. Erwin Fuchs hat einige Witze von Julius und Julia zusammengestellt:

Als Julia, eine temperamentvolle junge Frau, abends nach Hause kommt, stehen neun Verehrer vor ihrer Wohnungstür. Sie sagt: „Es tut mir leid, meine Herren, aber ich hatte einen schweren Tag. – Einer von Euch muss gehen.“

„Julia, du bist die erste Frau, die ich liebe“, beteuert ihr ein Liebhaber. „Lever Jott, schon widder ne Anfänger“, klagt Julia.

„Liebes Kind“, sagt Julius, „wenn wir erst verheiratet sind, werde ich alle deine Sorgen mit dir teilen“. Julia erwidert: „Aber ich habe doch gar keine Sorgen“. Julius: „Ich meine ja auch nur, wenn wir verheiratet sind.“

„Jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich keine Kinder mehr bekomme“, sagt Julia zu ihrer Freundin. Die Freundin antwortet: „Ich meine, Dein Mann habe sich sterilisieren lassen.“ – „Ja, gerade deshalb.“

Julius und Julia besuchen eine Zaubervorstellung. Der Zauberkünstler ermuntert das Publikum: „Als Höhepunkt des Abends, möchte ich eine Frau verschwinden lassen.“ Julius sagt laut und deutlich: „Geh‘ rauf, Julchen.“

Wie resümiert Fuchs treffend zu diesen Witzen:
Allem Anschein nach sind die Männer (wir ergänzen: und die Frauen) in Jülich gerne verheiratet, nur nicht täglich 24 Stunden lang.

Tusch, Applaus, Abgang!

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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