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Tschööö – Was ich noch sagen wollte…

Manchmal ist das ja so eine Sache mit dem Tschö.

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Also dem mit Ö und all den anderen auch. Also dem Tschau mit au, dem Tschüs mit einem s, mit zweien oder gar dem scharfen – ganz zu schweigen von den vielen Verkleinerungsformen vom Tschüssi, Tschüssing, Tschüssle, Tschüsskes bis zum Tschüssikowsi.
Als ich einst aus dem norddeutschen Tschüüüüüüüs-Land in die rheinländische Tschö-Zone übersiedelte, habe ich dabei nicht nur die innerdeutsche, sondern auch eine andere Grenzlinie übertreten. Nicht nur, dass ich die ersten Wochen immer wieder in die Falle tappte, bei der Begrüßung und Verabschiedung zum gewohnten Handschlag auszuholen. Mit dem Arm den luftleeren Raum zerteilend und mit ungelenkem Winken oder Wedeln zog ich mich aus der Affäre. Auch unterlag ich weitaus länger dem Irrtum in der Annahme, dass das Tschüs und das Tschö selbiges Wort einfach unterschiedlicher Dialekte sei. Weit gefehlt! Während nämlich das Tschö über Umwege vom französischen „Adieu“ zu Fuß ins Rheinland gekommen ist, stammt das Tschüs ursprünglich vom spanischen „Adios“ ab, welches mit den Seeleuten über das Wasser angelandet ist und über „Adjüs“ und „Atschüs“ zum Tschüs wurde. Da allerdings der Weg bis nach Süddeutschland sowohl von Norden als auch von Westen ziemlich weit ist, haben sich dort wohl parallel aus dem lateinischen „ad deum“ für „zu Gott“ Formen wie „Ade(le)“ entwickelt oder in Bayern das „Pfiat di“ – wohl auch, um das „ü“ zu umgehen, das den Bayern ein Graus ist und nach Möglichkeit umgangen wird. (So wird aus München Minga, aus dem Gefühl Gfuih, aus dem Küssen Bussln, aus dem Schüler der Schulbub und aus der Mücke eine Muggn.)
Und doch haben alle Abschiedsfloskeln selbige Aussage – nämlich „(geh)zu/mit Gott“. Selbst das förmliche „Auf Wiedersehen“ beinhaltet letztlich einen christlichen Urgedanken – wird es doch wie selbstverständlich auch angewendet, wenn man sich sicher ist, den Verabschiedeten auf Erden nicht mehr über den Weg zu laufen und eigenen Auges zu erblicken. Rein statistisch ist erwiesen, dass noch vor 50 Jahren mehr als die Hälfte der Deutschen sich mit „Auf Wiedersehen“ verabschiedete, heute sind es nur noch 15 Prozent und Tschö und Tschüs in allen Variationen nehmen die knappe Mehrheit für sich ein.
Den Rest teilen sich Floskeln und Handlungsaufforderungen, die den göttlichen Schutz nicht unbedingt beinhalten: „Lass Dich nicht hängen!“, „Lass Dich nicht unterkriegen!“; „Hau rein!“, „Man sieht sich!“ oder im Zeitalter der Abkürzungen einfach „CU!“ (lautmalerisch für „see you…“). Richtig fein raus sind dagegen die Italiener mit ihrem „Ciao“. Nicht nur, weil es tatsächlich vom Wortursprung nichts mit Gott, wohl aber mit „Schiavo“, dem Sklaven und Diener zu tun hat, sondern vor allem, weil es ebenso wie „Servus“ zur Begrüßung und zum Abschied verwendet werden kann. Denn jeder Abschied beinhaltet ja auch die Begrüßung von etwas. Das Ende der Schulzeit bringt den Beginn der Ferien, das Ende der Lehrzeit den Beginn des Arbeitslebens und jeder Abschied ist die Geburt einer Erinnerung. Zum Glück hat man zwei Augen, von denen eines weinen und eines lachen kann und zwei Hände, von denen eine zum Abschied hinterher und eine zur Begrüßung entgegen winken kann. In diesem Sinne: „Bis denne“…

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Gisa Stein
Aus dem Herzen der Lutherstadt Wittenberg in die Herzogstadt gekommen und angekommen: "Wenn ich erlebe, dass Menschen weite Wege gehen, gar von anderen Kontinenten anreisen, um die Jülicher Zitadelle zu besichtigen, entwickle selbst ich als "Immi" eine gewissen Stolz..."

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