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Haushaltsrede 2022: Bündnis 90 / Die Grünen

In der Haushaltsrede 2022 für Bündnis 90/ Die Grünen brachte Fraktionssprecher Sebastian Steininger Teile der Stellungnahme zur Lage in Jülich ein.

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Sebastian Steininger. Foto (Ausschnitt): Andreas Balsliemke
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Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratsmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

heute verabschieden wir den Haushalt 2022.
Zuerst möchte ich mich, auch im Namen unserer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bei Herrn Kohnen und der gesamten Verwaltung bedanken. Sie haben unsere Fragen zum Haushaltsentwurf zügig und ausführlich beantwortet.

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Vor uns liegt ein Haushalt mit schwarzen Zahlen. Schaffen werden wir das nur mit einer Erhöhung der Hebesätze. Das war in den Haushaltsberatungen ein heiß diskutiertes Thema. Hier wurde an einigen Stellen der Teufel an die Wand gemalt. Es geht bei der Gestaltung des Haushalts aber vor allem darum, dass wir eine funktionierende Stadtverwaltung und Geld für notwendige Ausgaben haben.

Niemandem ist geholfen, wenn wir uns kaputtsparen, vor allem nicht beim Personal. Klimaschutz, nachhaltiges Handeln und eine zukunftsgerichtete Mobilität sind keine freiwilligen Leistungen. Auch eine steigende Bevölkerungszahl oder ein neuer Kreisname werden den Haushalt nicht sanieren. Die Jülicher Kommunalpolitik muss endlich lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und sich nicht im Klein-Klein zu verrennen.

In Jülich muss endlich gehandelt werden, wie es sich für ein Mittelzentrum gehört. Jülich ist kein Dorf und keine Metropole. Jülich hat Potential, das es zu heben gilt. Große Luftschlösser helfen uns dabei nicht weiter. Viele Hoffnungen liegen auf dem Strukturwandel. Doch der wird frühestens in 10 Jahren spürbare Erfolge bringen. Wir brauchen aber jetzt bereits schnell umzusetzende Maßnahmen, um am Ende nicht sogar einen Bevölkerungsschwund hinnehmen zu müssen. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum, ausreichend Schulplätze und eine Infrastruktur, die niemanden benachteiligt. Dazu gehört für uns Grüne beispielsweise eine Radwegeinfrastruktur, bei deren Einrichtung der ein oder andere Parkplatz wird weichen müssen.

Der Haushalt 2022 schließt mit einer schwarzen Null ab. Zurücklehnen dürfen wir uns trotzdem nicht. Nicht erst der Haushalt 2023 wird uns vor große Herausforderungen stellen. Auch dieses Jahr droht uns noch eine weitere Herkulesaufgabe. Die Energiekosten sind den vergangenen Monaten massiv gestiegen. Für die Versorgung der städtischen Liegenschaften schlagen sie mit insgesamt 1,7 Mio Euro zu Buche. Die Steigerung ist da allerdings noch nicht miteingerechnet. Da sich in den meisten
Einrichtungen die Nutzung wieder der Vor-Corona-Zeit annähert, werden die Verbräuche im Vergleich zu den beiden Vorjahren wieder steigen. Bei einer Kostensteigerung von im Schnitt 40 % für Energieträger bedeutet das, dass wir Ende des Jahres bis zu 700.000 € zusätzlich im Haushalt unterbringen müssen. Für die Folgejahre ist es dringend geboten, zügig Maßnahmen zur
Energieeinsparung umzusetzen.

Doch nicht nur bei der städtischen Energieversorgung müssen wir auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz achten. Auch die Energieversorgung von Neubaugebieten und den Bestandsgebäuden muss mit klaren Vorgaben und Anreizen schnell und zuverlässig regenerativ werden. Wärmenetze müssen zum Standard und Photovoltaikanlagen zur Pflicht werden. Wir müssen auch keine Angst vor klaren Vorgaben im Bausektor haben. Das schreckt die Menschen nicht ab. Ganz im Gegenteil. Sie helfen, Planungs- und Versorgungssicherheit zu garantieren. Gerade Neubaugebiete dürfen nicht weiter 08/15 geplant und errichtet werden. Wir müssen es Menschen jeglichen sozialen Hintergrunds ermöglichen, in Jülich zu leben. Wenn wir es ernst meinen mit einem Bevölkerungswachstum, müssen wir auch in die Höhe und nicht nur in die Breite wachsen.

Noch wird in Jülich vielerorts zu eindimensional gedacht und gehandelt. Wohnraum wird nur für ein bestimmtes Klientel geschaffen. Der Brainergy Park alleine wird weder den städtischen Haushalt retten noch für ausreichend Wohnraum sorgen. Am Ende wird er den Druck auf den Wohnungsmarkt sogar noch verschärfen und im schlimmsten Fall für höhere Mieten sorgen. Die Attraktivität einer Stadt hängt nicht davon ab, ob man durch ein Fontänenfeld laufen oder mit einer Seilbahn auf einen Hügel hoch fahren kann. Sie hängt davon ab, ob sich die Menschen das Leben hier leisten können. Viele alte Bestandsgebäude werden so hohe Heizkosten haben, dass das nicht mehr gesichert ist. Da müssen wir tätig werden!

Ideen und Konzepte gibt es in Jülich zur Genüge. Ich erspare es uns allen, sie jetzt einzeln aufzuzählen. Leider ist die Umsetzung an vielen Stellen in weite Ferne gerückt. Der Investitionsstau liegt bei fast 20 Mio Euro. Das ist beileibe kein Jülich-spezifisches Problem. Und notwendige Ausgaben für die Feuerwehr und die Erweiterungen der Grundschulen zur Offenen Ganztagsschule gehören zu unseren kommunalen Pflichtaufgaben. Es gibt aber Jülich-spezifische Lösungen.

Der wichtigste Schritt ist eine Priorisierung der offenen Maßnahmen. Hier erwarte ich von allen Fraktionen und auch der Stadtverwaltung, ehrlich zu sein und Mut zu haben, auch mal unliebsame Entscheidungen zu treffen, Ideen zu begraben und sich auch mal mit der kleinen Lösung zufrieden zu geben. Auch wenn es weh tut. Die dafür notwendigen Entscheidungen müssen dabei zwingend öffentlich und transparent in den Ausschüssen und dem Rat der Stadt Jülich getroffen werden. Arbeitskreise und Lenkungsgruppen sind keine entscheidungsbefugten Gremien und dürfen nicht dafür genutzt werden, schwierige Entscheidungen im Hinterzimmer zu treffen.

Wir werden uns als Grüne weiterhin dafür einsetzen, dass der Mensch im Zentrum des politischen Handelns steht. Wir machen uns weiterhin stark für ein klares Bekenntnis zu Klimaschutz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Nicht versteckt in Lenkungskreisen, sondern sichtbar in der Jülicher Kommunalpolitik. Mutlose Bebauungspläne ohne Vorgaben zur Energieversorgung, Mobilität und Grünflächengestaltung müssen der Vergangenheit angehören.

Wiederholt wurden wir Grüne in den Ausschüssen und im Rat als konservativ und nicht progressiv bezeichnet. Sei es auf Grund unserer Haltung zu den ausleihbaren E-Scootern, zur Seilbahn oder zu so manchen Bebauungsplänen. Wenn es um Klimaschutz, Umweltschutz und Naturschutz geht, sind wir gerne konservativ. Denn das Lateinische Wort conservare bedeutet erhalten und bewahren. Als Grüne setzen wir uns für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt ein. Dazu gehört es auch, „modernen“ Dingen kritisch gegenüberzustehen, wenn sie unseren umweltpolitischen Zielen entgegenstehen, sich ihr fehlender Nutzen schon andernorts gezeigt hat oder sie aus unserer Sicht einfach rausgeworfenes Geld sind.

Bei aller Kritik am Haushalt und dem politischen Handeln hier vor Ort müssen wir natürlich zugeben, dass viele Probleme nicht Jülich-spezifisch sind. Die Kommunalfinanzen liegen landesweit im Argen und viele externe Zwänge sowie fixe Umlagen legen uns begrenzte Spielräume bei der eigenen Haushaltsgestaltung auf. Für zukünftige Haushalte fordern wir Grüne daher die rechtzeitige Einbringung des Entwurfs, möglichst im vorausgehenden Jahr. Das ist in anderen Kommunen im Kreis Düren, z. B. in Nörvenich und Kreuzau, bereits die Regel und erhöht die Planungs- und Investitionssicherheit.

Wir haben als Fraktion lange und intensiv über den Haushalt beraten. Wir haben Fragen gestellt, um die Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen. Die zentrale Frage für uns ist, wie wir mit en Steigerungen der Energiekosten umgehen und den Haushalt diesbezüglich entlasten können, um nicht 2023 wieder ins Haushaltssicherungskonzept zu rutschen. Wir werden dem Haushalt, trotz einiger Bedenken, heute zustimmen. Die Hintergründe habe ich in meiner Rede hoffentlich
verständlich dargelegt.

Zum Ende meiner Rede bedanke ich mich bei meiner Fraktion für die geleistete Arbeit im letzten Jahr und freue mich auf die weiterhin gute Zusammenarbeit.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


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1 KOMMENTAR

  1. Wie sieht es mit den Bäumen auf dem Marktplatz aus? Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass diese nicht entfernt werden?

    Das wäre nämlich eine Schande! Wie wäre es mit einer Bürgerabstimmung! Ich denke mal, 90 % wären dagegen, dass sie wegkommen

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