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Haushaltsrede 2022: CDU

Die Haushaltsrede für die CDU hielt Fraktionsvorsitzender Marco Johnen

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Marco Johnen. Foto: privat
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Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Es ist nicht die stärkste Spezie die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.“

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Das hat der englische Naturforscher Charles Darwin mal gesagt und auch wir müssen uns immer wieder neuen Situationen anpassen und eingeschlagene Wege hinterfragen.

Seit dem 24. Februar ist die Welt eine andere und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bekommen auch die Menschen hier in Jülich in sämtlichen Bereichen des Lebens zu spüren.

Die Inflation erreicht lange nicht mehr gesehene Höchststände. Die Kosten für Lebensmittel, Benzin, Bau- und Verbrauchsmaterialen sind in den vergangenen Monaten geradezu explodiert. Alles, wirklich alles, wird teurer.

Und genau in dieser dramatischen Phase, unter diesen Rahmenbedingungen, haben wir den diesjährigen Haushalt beraten.
Schon letztes Jahr habe ich in meiner Haushaltsrede auf die „dunklen Wolken“ hingewiesen, die damals, vor allem wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie, schon am Horizont erkennbar gewesen sind. Es ist uns aber im vergangenen Jahr gelungen, eine Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger zu verhindern und Maßnahmen zu beschließen, mit denen wir in die Substanz investieren. Das war ein Kernanliegen meiner Fraktion.

Heute sind aus den dunklen Wolken kräftige Gewitter geworden, die uns – wie Charles Darwin sagen würde – zur Anpassung zwingen.

Wir sind der Meinung, dass die Kostensteigerungen für Teile der Bevölkerung schon heute existenzielle Ausmaße angenommen haben und daher muss es unser Ziel sein, eine zusätzliche Mehrbelastung durch höhere Grundsteuern zu verhindern.
Letztlich ist uns dies leider nur bedingt gelungen. Wir stimmen heute über einen Haushalt ab, von dem wir eigentlich alle wissen, dass er jetzt schon Makulatur ist, denn auch die Stadt ist mit massiven Kostensteigerungen konfrontiert.
Alle Projekte werden viel teurer als ursprünglich kalkuliert und spätestens im nächsten Jahr ist berechtigterweise mit Tarifabschlüssen zu rechnen, die ebenfalls mit hohen Kosten für die öffentlichen Haushalte einhergehen.

Hinzu kommt, dass durch viele Entscheidungen, die unterjährig getroffen wurden, der Handlungsspielraum beim Haushalt schon im Vorfeld eingeschränkt wurde.

Das ist ein Kritikpunkt an Rat und Verwaltung gleichermaßen! Viele Kleinigkeiten summieren sich bis zur Beratung über den Haushalt zu einem großen Haufen Geld. Deswegen dürfen wir es nicht weiter zulassen, dass während des Jahres Fakten geschaffen werden, mit denen die Entscheidung über den Haushalt schon fast gänzlich vorweggenommen wird!
Wir werden auch nicht drum herumkommen, auch Teile von größeren Vorhaben kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls auch abzuspecken oder fürs Erste aufzuschieben.

Während der intensiven Diskussion der letzten Wochen und Monate habe ich eine große innerliche Zerrissenheit gespürt – sowohl in der Bevölkerung als auch im Stadtrat und in der CDU-Fraktion.
Die CDU-Fraktion ist mit dem Haushalt mehr als unzufrieden. Wer heute zustimmt, tut dies nicht gerne, sondern mit großen Bauchschmerzen.

In unserer Wahrnehmung war bei Bürgermeister und Verwaltung kein ausreichend genug ausgeprägter Sparwille erkennbar. Wir hätten uns in dieser Hinsicht einfach mehr erhofft. Uns ist jedenfalls nicht deutlich geworden, welche konkreten Maßnahmen schon eingeleitet wurden, um in dieser schwierigen Lage Geld einzusparen.

Die über Änderungslisten erreichten Einsparungen zur Abmilderung der Steuererhöhungen sind nicht mehr als eine Mogelpackung, weil die Probleme nicht angegangen, sondern in die Zukunft verschoben werden.
Dabei macht unser Kämmerer wirklich keinen schlechten Job – ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren. Wenn sich heute Rahmendaten verschlechtern würden, bekämen wir morgen eine Änderungsliste, die genau diese Mehrbelastungen wieder auffängt, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Wenn allerdings die Politik das Aufzeigen von weiteren Sparpotenzialen einfordert, heißt es leider immer wieder, dass der Haushalt schon vollkommen auf Kante genäht sei und alle Sparmöglichkeiten restlos ausgeschöpft sind.
Zur Wahrheit gehört aber auch, und da sind wir uns hoffentlich alle einig, dass wir als Stadt zwingend den begonnenen Wachstumskurs fortsetzen sollten! Eine 180 Grad-Wendung wird es mit uns nicht geben.

Wir wollen wachsen und müssen dazu auch weiter in die Zukunft investieren.
Das kostet Geld und dazu benötigt man auch Personal. Ich denke da beispielhaft an unseren Bauhof oder die Bauverwaltung. Jedes neue Baugebiet bringt uns die gewünschten zusätzlichen Einwohner, aber eben auch zusätzliche Straßen und Grünflächen, die instandgehalten und gepflegt werden müssen. Und mit der Bevölkerungszahl muss auch unsere Infrastruktur mitwachsen. Hierbei denke ich beispielsweise an Schulgebäude oder auch an die Leistungsfähigkeit unserer Feuerwehr.

Ich könnte jetzt noch viel sagen zu den immer weiter steigenden Umlagen des Kreises, des Wasserverbandes und anderer Umlageverbände aber dieses Thema wird mit Sicherheit auch von den Kollegen der anderen Fraktionen noch intensiv beleuchtet.
Unter dem Strich bin ich zutiefst davon überzeugt, dass das System der Finanzierung unserer Kommunen kurz vor dem Kollaps steht. Schon bald wird es auch mit den kreativsten Buchungstricksnicht mehr möglich sein, einen Haushaltsausgleich darzustellen und die schon anziehenden Zinsen werden ihr übriges tun.

Es wird Zeit, dass das ganze System vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Wir leisten uns beileibe keinen Luxus, bekommen aber immer strengere Vorgaben und neue Aufgaben von oben, für die wir am Ende die Zeche zahlen müssen.
Wenn Bund und Land hier ihrer Verantwortung für die Kommunen nicht endlich gerecht werden, dann wird es bald mit unserer Selbstverwaltung vorbei sein und das wird auch mit sozialen Verwerfungen verbunden sein.
Wir können deswegen nur – wie in jedem Jahr – den eindringlichen Appell aussprechen: Bitte lasst die Kommunen finanziell nicht im Regen stehen!

Wie ich hörte, wurde heute der Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-grünen Landesregierung vorgestellt. CDU und Grüne bekennen sich in diesem Vertrag zu einer verlässlichen Gemeindefianzierung, die sicherstellt, dass die Kommunen ihren Aufgaben gerecht werden können.

Ein zentraler Punkt des Vertrages soll eine tragfähige Altschuldenlösung sein: Die vom Bund angekündigte einmalige gemeinsame Kraftanstrengung zur Entlastung der Kommunen von ihren Altschulden muss jetzt unmittelbar erfolgen, meine Damen und Herren!

Das Ziel der Koalition ist es offenbar, noch in diesem Jahr gemeinsam mit dem Bund eine Lösung zu vereinbaren. Und für den Fall, dass der Bund seiner Verantwortung nicht nachkommt, bekennen sich CDU und Grüne in NRW dazu, im kommenden Jahr selbst eine Lösung herzustellen und dafür einen Altschuldenfonds einzurichten, der für die teilnehmenden Kommunen eine substanzielle und bilanzielle Entlastung bringt.

Meine Damen und Herren, ich hoffe dass es bis dahin nicht schon zu spät ist. Diesen Worten müssen schnellstens Taten folgen.
An dieser Stelle möchte ich einige Bemerkungen für die Zukunft loswerden:

  • Erstens: Damit in der Bevölkerung verstanden wird, was in Jülich alles Sinnvolles mit dem Geld angestellt wird und weshalb in diesem Jahr Steuererhöhungen nicht vermieden werden konnten, brauchen wir dringend eine offensivere Kommunikation. Wir müssen den Menschen erklären, dass der Erhalt unserer Infrastruktur und der Betrieb unserer Einrichtungen Geld kosten. Gleichzeitig steht dem aber auch ein Mehrwert für jeden einzelnen Bürger gegenüber. Jülich hat viel zu bieten und in Zukunft wird das hoffentlich noch stärker so gesehen. Wir sind die Hauptstadt des Strukturwandels und schon heute höchst attraktiv für Einwohner, Firmen und Forschungseinrichtungen.
  • Zweitens: So verlockend Förderprogramme auch sein mögen, wird dürfen nicht auf jeden Zug aufspringen, der sich anbietet. Denn am Ende ist es genau wie im privaten Bereich: Wenn man uns einen Porsche zur Verfügung stellen möchte, wir aber wissen, dass wir uns Sprit, Versicherung und Steuern nicht leisten können, dann können wir das verlockende Angebot schlicht und ergreifend nicht annehmen.
  • Drittens: Wir müssen noch stärker priorisieren und sorgsam mit den finanziellen aber auch personellen Ressourcen umgehen. Das bedeutet auch, wir können nicht ständig neue Themenfelder besetzen, neue Projekte planen. Wir brauchen in Zukunft weniger Workshops und Stuhlkreise – wie das im Strukturwandel gerade sehr stark um sich greift. Denn all das bindet Ressourcen und produziert zusätzlichen Aufwand. Wir müssen stattdessen zunächst mal das umsetzen, was wir ohnehin schon an Beschlüssen und Konzepten in der Schublade haben.
  • Viertens: Von der Verwaltung wünschen wir uns bei vielen Themen eine frühere – notfalls auch informelle – Einbindung und Information. Über Personalfragen oder wegweisende Projekte, wie das Neubaugebiet „An den Aspen“, können wir nicht beschließen, wenn zwischen der ersten Information und dem gewünschten Beschluss gerademal die Ladungsfrist zu einer Sitzung liegt.
  • Und fünftens müssen künftige Haushalte früher vorliegen. Spätestens bis zur Dezember-Sitzung muss der Haushaltsentwurf im Rat eingebracht werden – trotz aller Unwägbarkeiten. Selbstverständlich muss aber auch die Politik anschließend zügiger das Zahlenwerk beraten. Das gehört zu einer selbstkritischen Analyse dazu.
  • Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe versucht Ihnen in aller Kürze zu verdeutlichen, in welch schwierigem Spannungsfeld sich die häufig kontroversen aber immer extrem sachlich geführten Beratungen innerhalb der CDU-Fraktion bewegten.

    Wir werden heute nicht einheitlich abstimmen, weil es für eine Ablehnung des Haushalts genauso stichhaltige Argumente gibt, wie für eine Zustimmung. Am Ende ist jedes Ratsmitglied nur seinem eigenen Gewissen verpflichtet und wird in diesem Sinne auch heute eine wohl überlegte und verantwortungsvolle Entscheidung treffen.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


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