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„Bye, bye PK“

Jetzt ist es offiziell: Wenn Pater Josef Költringer Ende Oktober das Haus Overbach in Barmen verlässt, dann, um höhere Aufgaben im Orden zu erfüllen. Die Gemeinschaft der Oblaten der Hl. Franz von Sales hat ihn zum Pater Provinzial der deutschsprachigen Provinzen gewählt. Er tritt die Nachfolge von Thomas Vanek OSFS an, dessen 12-jährige Amtszeit nicht mehr verlängert werden konnte. Der neue Arbeitsplatz von Pater Költringer ist damit Wien.

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Pater Josef Költringer verlässt Jülich, um neuer Pater Provinzial im Orden der Oblaten des Hl. Franz von Sales zu werden. Foto: Dorothée Schenk
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Da floss so manche Träne: „Bye, Bye PK, machet jot.“ Wenn Pater Josef Költringer, Oberer der Oblaten des heiligen Franz von Sales, das Kloster Haus Overbach in Barmen verlässt, dann geht eine Ära zu Ende. Pater Költringer, das war zu spüren, war ein Seelsorger von Herzen, und so fehlte dem Lehrerkollegium des Kollegiums Gymnasium Haus Overbach das passende Wort zum Abschied und fand sich im Liedbeitrag wieder nach der Melodie von „Unsere Stammbaum“. Als Freund des guten Tropfens, Fußballfan und Busfahrer, vor allem aber als einen, der ein offenes Ohr für die Menschen hatte und für den Glauben und viele Kulturen begeistern konnte, führte der gemischte Chor Pater Költringers Qualitäten noch einmal vor Augen. Mit Freunden, Kollegen und Weggefährten wurde ein emotionaler Abschied mit viel wertschätzenden Worten und Gespräche abseits der Bühne gefeiert.

Josef Költringer, 1960 in Oberösterreich geboren, trat als 20jähriger in den Orden der Oblaten des hl. Franz von Sales ein. 1988 wurde er im Eichstätter Dom zum Priester geweiht und war von 1994 bis zu seinem Amtsantritt in Overbach als Missionar in Indien und auf den Philippinen tätig. Mit sinkenden Personalressourcen und steigendem Aufwand übernahm Pater Költringer für kurze Zeit das Amt des Geschäftsführers der Haus Overbach GgmbH, eher 2018 der Trägerwechsel erfolgt. Das Christliche Jugenddorfwerk Deutschland (CJD) hat seither das „operative Geschäft“ übernommen. Bislang war Pater Költringer noch als Seelsorger im Gymnasium tätig – neben seinen Aufgaben als Pfarradministrator der GdG Aldenhoven.

Ein persönliches Interview zum Abschied

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Was verbinden Sie in Dankbarkeit mit dem Haus Overbach?

Pater Josef Költringer: Die größte Dankbarkeit habe ich für gelungene Beziehungen. Ich hatte sehr intensive persönliche Freundschaften. Das war am Anfang nicht so leicht für mich als Österreicher, als einer, der keine Geschichte in Overbach hat. Trotzdem wurde ich relativ schnell angenommen und akzeptiert. Ich bin auch dankbar, dass wir einen Träger gefunden haben, der Haus Overbach weiterführt. Es ist sehr harmonisch und ohne größere Eruptionen vonstatten gegangen. Wir als Orden haben gewusst, wir hätten Overbach langfristig auch personell nicht weiterführen können. Und schließlich kam ich aus einer ganz und gar kirchlichen Welt als Ordensmann; dass ich in Overbach die Welt der Naturwissenschaften und des MINTs intensiver kennenlernen durfte, das war für mich unheimlich bereichernd. Da habe ich wahnsinnig viel gelernt.

Was fällt Ihnen spontan als prägendes Erlebnis ein in Ihrer Barmener Zeit?

Pater Josef Költringer: Einer der prägendsten Momente war für mich die Schilderung eines Astrophysikers, der beschrieb, wie er morgens vor dem Spiegel im Bad steht, die nackte Haut in die Hand nimmt und ihm dabei einfällt, dass etwas von diesem 13 Milliarden alten Urstaub in seinem Körper, in seiner Haut mit vorhanden ist und innert wird, dass die Menschheit eigentlich nur einer kleiner i-Punkt in der Geschichte dieser Erde gewesen ist und auch zukünftig sein wird. Das war für mich ein Weckruf, die Zeit zu nutzen. Das hat mich an Franz von Sales erinnert, der sinngemäß sagte: „Höre auf, über die Zukunft oder die Vergangenheit lange nachzudenken, lebe in der Gegenwart.“
Das Zweite, das ich erst hier erfahren habe, ist, warum Musik, Religion und Naturwissenschaften sich gegenseitig so sehr brauchen. Ein Wissenschaftler erklärte bei einem Symposium, dass sich niemand mehr für alte Technik interessiert, etwa Schwarz-Weiß-Fernseher oder 20 Jahre alte Handys. Anschließend sang der Chor ein Stück aus den 1970er Jahren. Da ist mir bewusst geworden, dass in der Musik Altes seinen Wert behält – beispielsweise Mozart, aber Ed Sheeran heute genauso wertvoll ist und Mozart nicht unnötig macht. Das ist in den Naturwissenschaften und der Technik anders. Da kann das Alte zurückgelassen werden. In der Kunst und der Religion behalten die existenziellen Fragen von uns Menschen ihren Wert. Ich habe erst in Overbach durch Teilnahme an solchen Veranstaltungen gelernt, diese Unterschiede klarer zu sehen.

Vier Mitbrüder haben in Haus Overbach ihren Alterssitz. Was bleibt, wenn Sie jetzt das Haus verlassen?

Pater Josef Költringer: Es wird anders, das will ich nicht kleinreden. Haus Overbach wird aber Heimat für die Salesianer bleiben, und meinen Platz als Schulseelsorger wird Pater Johnson übernehmen. Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler, die in der Kapelle den Priester erlebt haben und ihn in einer Pause über den Innenhof gehen sehen, erinnert werden an Worte und Franz von Sales. Das soll auch Zukunft gelingen.

Sie sind 2011 mit dem Wunsch gestartet, den „salesianischen Geist“ nachhaltig in die Menschen hier vor Ort zu pflanzen. Warum ist das nicht gelungen?

Pater Josef Költringer: Mir wurde in den letzten Jahren klar, dass das größte Manko in unserer Kirche eigentlich ist, dass wir nicht mehr sprachfähig über unseren Glauben sind. Es gibt ein Konsumchristentum, bei dem die Menschen in die Kirchen gehen, sich beschwatzen und betören lassen und man seine Pflichten erfüllt. Aber die Menschen durften und mussten nie lernen, sich mit ihrem inneren Glauben auseinanderzusetzen. Weil sie das nie gelernt haben, sind sie auch nicht
fähig, über ihren Glauben, ihre Erfahrungen und ihren Gott zu reden. Diese Sprachunfähigkeit war einer der Gründe, warum die Idee, dass das Salesianische prägend an Haus Overbach weitergehen soll, gescheitert ist.

Welches Feld haben Sie besonders gerne in Overbach beackert?

Pater Josef Költringer: Ein Feld war sicherlich die Einheit der Christen. Ich habe nicht unterschieden zwischen Evangelischen, Katholischen oder auch Nicht-Getauften bei Gottesdiensten. Für mich waren immer alle eingeladen. Alle, die etwas von Gott auch sinnlich spüren wollten und das Verlangen hatten, etwas von Jesus und seiner Botschaft aufzunehmen. Das habe ich immer gesagt und habe dafür auch viel Widerspruch erhalten. Ausgelöst wurde es durch die Frage eines Sextaners, der mir sinngemäß sagte: In Religion geht es so viel um Gemeinschaft, aber es ist das einzige Fach, in dem wir getrennt werden in Evangelische und Katholische. Da wurde mir klar: Das darf so nicht sein. Wir müssen einen Schritt machen. Ich glaube, dass man dahinter nicht mehr zurück kann, das man es nicht mehr umkehren kann – auch wenn es dazu Bestrebungen gibt. Ein zweites Feld, von dem ich meine, dass ich es ganz konsequent verfolgt habe, war, was Charles Ives in dem Musikstück „Die unbeantwortete Frage“ demonstriert: Streicher fangen monoton an, schöne Töne zu spielen. Plötzlich kommt eine Trompete, die fünf, sechs klagende Töne spielt, die gar nicht dazu passen. Auf diese Trompete versuchen vier Flöten, so etwas wie eine Antwort zu geben. Das ist ein Wechselspiel.
Ives nennt es die unbeantwortete Frage, weil er sagt: Es gibt so existenzielle Fragen, die kommen immer wieder hoch – das ist die Trompete. So habe ich mich immer gesehen, wenn es hier Symposien oder naturwissenschaftliche Vorträge gab: Ich wollte ein wenig diese Trompete sein, einer, der immer mit Fragen oder mit Gott kommt, der scheinbar gar keinen Platz mehr hat. Darum habe ich mich mit Vorträgen immer wieder eingebracht, auch wenn es scheinbar so gar nicht passend war. Aber im Nachhinein war es meist doch für die Teilnahme der Symposien und die Professoren wertvoll, etwas ganz anderes zu hören und einen Trompetenschall zu vernehmen, mit dem sie eigentlich nicht gerechnet haben.

Sie kehren zum „Stammsitz“ der Oblaten zurück. Freuen Sie sich?

Pater Josef Költringer: Ich freue mich wirklich auf Wien. Ich war 40 Jahre weg. Ich war lange in Indien, auf den Philippinen, in Südafrika, in Amerika – ich bin viel herumgekommen. Ich habe eine große Familie. Wir sind sechs Kinder, und ich freu mich, wenn ich ihnen wieder näher komme, weil wir uns immer ganz harmonisch ergänzt haben. Und ich werde noch einmal neue Aufgaben im Orden übernehmen.

Zur weiteren Lektüre empfohlen
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Dorothée Schenk
Freie Journalistin, Redakteurin (gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach) und Kunsthistorikerin (M.A. in Würzburg) Gebürtige Sauerländerin und Wahl-Jülicherin.

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