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1 Million bislang unbekannte Galaxien

"Der Weltraum. Unendliche Weiten…" Jeder "Trekkie-"Fan kennt das. Das LOFAR-Himmelskarte, die in Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich entsteht, birgt eine wahre Flut an neuen Entdeckungen.

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Der Coma-Cluster ist 300 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und besteht aus mehr als 1.000 Galaxien, die hier im Radio- und Infrarot-Bereich gezeigt sind. Die Radiodaten machen die Strahlung von hochenergetischen Teilchen sichtbar, die den Raum zwischen den Galaxien durchdringen. Foto: Annalisa Bonafede
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Sieben Jahre lang sammelte ein internationales Forschungsteam Radiosignale aus dem All. Die Daten wurden jetzt in Form einer neuen Himmelskarte veröffentlicht. Sie gewähren einen einzigartigen Blick auf die Wunder unseres Universums. 4,4 Millionen Galaxien wurden erstmals im Radiowellenbereich sichtbar gemacht. Eine Million dieser Galaxien war zuvor vollkommen unbekannt. Möglich wurden die Entdeckungen durch das europäische LOFAR-Teleskop, das größte Radioteleskop, das je gebaut wurde. Der Jülicher Höchstleistungsrechner JUWELS, der aktuell schnellste Supercomputer in Europa, half dabei, die gigantischen Datensätze zu verarbeiten.

Rund ein Viertel des nördlichen Himmels haben die Forschenden mithilfe des europäischen Radioteleskops LOFAR in bislang unerreichter Auflösung kartiert und unter https://lofar-surveys.org/ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die meisten Objekte in der neuen Himmelskarte sind Milliarden Lichtjahre entfernt. In der Regel handelt es sich um Galaxien, die in ihrem Zentrum massereiche Schwarze Löcher oder Gebiete sehr starker Sternbildung beherbergen. Seltener sind auch Gruppen von kollidierenden Galaxien darunter oder Objekte aus unserer Milchstraße, wie beispielsweise Sterne mit Strahlungsausbrüchen, sogenannte Flare-Sterne, zu sehen.

Die Überreste einer Supernova, Cygnusbogen genannt, sind hier im Radio-, UV- und Röntgenbereich gezeigt. Sie befinden sich in der Milchstraße. Dorthin wird sich der Blick von LOFAR in Zukunft wenden. Das Radioteleskop beginnt gerade, unsere eigene Galaxie zu erforschen. Foto: Jennifer West
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“Die Arbeit an diesem Projekt ist so spannend. Jedes Mal, wenn wir eine Karte erstellen, stoßen wir auf eine Fülle von neuen Entdeckungen und Objekten, die noch nie zuvor ein menschliches Auge gesehen hat“, erklärt Timothy Shimwell von der niederländischen Forschungseinrichtung ASTRON und der Universität Leiden.

Zuwachs im Galaxien-Zoo

Welcher Reichtum an Informationen in diesem Datenschatz steckt, zeigt sich in einer Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, die in jüngster Zeit veröffentlicht wurde. So erschien heute die bisher umfangreichste Studie über kollidierende Galaxienhaufen – die größten Strukturen des Universums – mit Hunderten bis Tausenden von Galaxien.

Zu den wichtigsten gegenwärtigen Ergebnissen gehören außerdem: Die Entdeckung merkwürdiger Signale von nahen Sternen, die möglicherweise von umkreisenden Exoplaneten verursacht werden. Die genaue Vermessung eines extrem langsam rotierenden Pulsars, die derzeitige Theorien zur Beschreibung solcher Objekte infrage stellt. Die Beobachtung von „Quallengalaxien“, die auf ihrer Reise durch ein Medium Material verlieren, sowie von weiteren Radiogalaxien in allen Formen, Größen und Altersklassen. Diese sind so zahlreich, dass eigens ein Citizen-Science-Projekt ins Leben gerufen wurde, um in diesem Galaxien-Zoo nach neuen schwarzen Löchern zu fahnden.

Daten für 20.000 Laptop-Festplatten

Die aktuelle Karte umfasst gerade einmal 27 Prozent der Daten, die das LOFAR-Projekt insgesamt erheben wird. Dennoch steckt dahinter ein riesiger Datensatz. Für die Erstellung haben die Forschenden Aufnahmen von 3.500 Beobachtungsstunden ausgewertet, die zusammen auf eine Größe von acht Petabyte kommen. Damit könnte man die Festplatten von ungefähr 20.000 Laptops füllen. Ein großer Teil davon, über 60 Prozent, stammt aus dem LOFAR-Langzeitarchiv am Jülich Supercomputing Centre (JSC). Das Höchstleistungsrechenzentrum am Forschungszentrum Jülich ist eines von drei Datenzentren im Projekt. Es beherbergt etwa ein Drittel des LOFAR-Datenarchivs, das insgesamt rund 55 Petabyte umfasst.

„Diese enorme Menge an Daten, die das LOFAR-Teleskop generiert, lässt sich nur mit der Hilfe von Hoch- und Höchstleistungscomputern sinnvoll verarbeiten, die in ganz Europa stationiert sind. Eine große Herausforderung ist die Kalibrierung der gemessenen Signale, für die wir unter anderem auf den Jülicher Superrechner JUWELS zurückgreifen konnten, der von seiner Rechenkapazität her der Leistung von 300.000 modernen PCs entspricht“, erklärt Dr. Matthias Hoeft von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg. „Bei dieser wichtigen Aufgabe geht es darum, in einem ersten Schritt störende Einflüsse auf die Signale mittels hochmoderner Algorithmen aus den Messdaten zu bestimmen, gegebenenfalls herauszufiltern und die tatsächliche Helligkeitsverteilung des Himmels für wissenschaftliche Auswertungen zu rekonstruieren.“

Die Jülicher LOFAR-Station DE605 besteht aus zwei Antennenfeldern zur Messung hoher und niedriger Frequenzen. Der Container in der Mitte enthält Elektronik zur Verarbeitung der Signale der einzelnen Antennen.
Foto: Ralf-Uwe Limbach

Ausblick auf weitere Erkenntnisse

Die aufbereiteten Daten stehen Forschenden weltweit zur Verfügung. Für die Zukunft werden zahlreiche weitere bedeutende Erkenntnisse erwartet. „Die Verknüpfung mit Beobachtungen aus anderen Frequenzbereichen kann beispielsweise neue Einblicke in die Eigenschaften der noch unverstandenen dunklen Energie liefern. Und sie ermöglicht neue Einsichten in die Entstehung von Galaxien und noch größeren Strukturen im Universum“, erklärt der Kosmologe Dominik Schwarz von der Universität Bielefeld, der den deutschen Beitrag zu LOFAR koordiniert.

Forschungsteams an den Universitäten in Hamburg und Bielefeld sowie an der Sternwarte in Tautenburg untersuchen dagegen gigantische Radioquellen, um den Ursprung von Magnetfeldern im Kosmos zu erforschen. „Eine Erkenntnis, die die Daten bereits jetzt ergeben haben, ist, dass die Magnetfelder im Universum schon recht früh zu ihrer jetzigen Stärke angewachsen sein müssen. Die Erklärung dafür ist, dass chaotische Gasbewegungen die Magnetfelder schnell verstärken in einem Prozess, den man Dynamo nennt“, sagt Marcus Brüggen von der Hamburger Sternwarte.

Blick ins Magnetbandarchiv: Das Forschungszentrum Jülich beherbergt etwa 17 Petabyte des LOFAR-Datenarchivs, das insgesamt rund 55 Petabyte umfasst.
Foto: Ralf-Uwe Limbach

Virtuelles Riesenteleskop LOFAR

LOFAR, das Low Frequency Array, wird von der Forschungseinrichtung ASTRON in den Niederlanden gesteuert und ist Vorreiter einer neuen Art von Radioteleskop. Es besteht aus über 50 Empfängerstationen, die sich auf sieben europäische Länder verteilen und die über schnelle Glasfaserleitungen mit leistungsstarken Supercomputern verbunden sind. Die enorme Rechenpower ist nötig, um die Signale der vielen Tausend Einzelantennen zu kombinieren. So ergibt sich eine virtuelle Empfangsschüssel mit einem Durchmesser von 1.900 Kilometern, die in der Lage ist, sehr schwache und nahe beieinander liegende Signale zu unterscheiden.

n Deutschland gibt es sechs Messstationen, die von verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben werden. Eine davon befindet sich südöstlich des Campus des Forschungszentrums Jülich und wird vom JSC gemeinsam mit der Universität Bochum betrieben. Darüber hinaus managt das JSC den Daten-Netzwerkverkehr zwischen den deutschen LOFAR-Stationen und zum zentralen LOFAR-Rechner in Groningen über moderne Glasfaser-Multiplexing-Verbindungen.


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