Start Stadtteile Jülich „Die Zeiten von Meister Eder und seinem Pumuckl sind vorbei“

„Die Zeiten von Meister Eder und seinem Pumuckl sind vorbei“

Egal ob zielstrebig oder noch Orientierung suchend: Wer den Berufsinformations-Markt im Berufskolleg Jülich besuchte, verließ das Gebäude nicht ohne eine vollgepackte Tüte mit Kontakt-Informationen und Broschüren über die mögliche berufliche Laufbahn.

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Große Auswahl beim Berufsinfomarkt im Beerufskolleg. Foto: Sonja Neukirchen
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Praktische Einblicke in die Ausbildung am Kolleg bekamen die Schülerinnen und Schüler, die oft im Klassenverbund erschienen waren, ebenfalls: In der KFZ-Werkstatt blickten sie in das Innere eines Elektroautos und Auszubildende im Sanitär, Heizung und Klima-Handwerk erklärten die Funktionsweise einer Wärmepumpe. Veranstaltet hatte den Info-Markt das Amt für Kinder, Jugend, Schule und Sport der Stadt Jülich.

Wer vorher schon etwas Klarheit hatte, wohin die Reise nach der Schule gehen könnte, war im Vorteil, um sich in dem großen Angebot an den Ständen zurechtzufinden. Fest steht: die Chancen, einen guten Ausbildungsplatz zu bekommen, sind so gut wie nie. Der Fachkräftemangel ist mittlerweile in fast jeder Branche angekommen, die Betriebe suchen deshalb händeringend nach Nachwuchs. Ausbilder und Vertreter der Betriebe informierten deshalb möglichst verbindlich, um Bewerber für sich zu gewinnen. Was die Anforderungen und Aufnahmekriterien angeht, zeigten sich die Betriebe deutlich flexibler als noch vor Jahren. Gleichzeitig sind die Anforderungen an modere Berufe gestiegen. Das gilt auch für das Handwerk: „Bei manchen ist Handwerk interessant, wenn sie es schulisch nicht schaffen. Aber die Qualität des Handwerks ist auch hoch geworden“, erklärte Ulrich Goebbels von der Tischler-Innung Düren-Jülich. Die Zeiten des Handhobels wie in der beliebten TV-Serie „Meister Eder und sein Pumuckl“ sind vorbei. Die Lage sei ernst: „Die geburtenschwachen Jahrgänge kommen jetzt.“ In Holland und Belgien habe man das Problem schon vor uns gehabt und daher sei man dort schon weiter. Da hätte das Handwerk auf Messen regelrechte „Showrooms“, so Goebbels.

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„Die kaufmännischen Berufe haben immer noch einen großen Zulauf“, weiß Schulleiterin des Berufskollegs Jülich, Simone Menser-Dargel. Das „Sorgenkind“ der Region sei dagegen die Bäckereifachverkäuferin. Aber auch die in der Region starke Papierindustrie suche händeringend nach Packmitteltechnologen. Es gebe noch sehr viele offene Stellen in der Region. „Wir merken, dass die Jugendlichen der so genannten Generation Z sich sehr kurzfristig entscheiden“, so Menser-Dargel.

Selina und ihre Mitschülerinnen Alisa und Anisa gehen auf das Berufskolleg Jülich und haben schon recht konkrete Vorstellungen: Es soll in Richtung Wirtschaft gehen, denn sie machen ihr Fachabitur auch im Bereich Wirtschaft und Verwaltung. „Das Finanzamt Jülich ist mein Favorit, das war cool“, fand Selina. „Die haben viel erzählt. Das duale Studium ist interessant.“ So haben es auch die Mitschülerinnen empfunden. Luca Derkssen, der ebenfalls am Berufskolleg den wirtschaftlichen Zweig besucht, orientiert sich bei seiner Berufswahl dagegen neu. „Ich wusste lange schon, dass ich mich in den sozialen Bereich begeben möchte“, sagte er. Für ihn waren besonders die Info-Stände der Krankenhäuser interessant. Sowohl das Krankenhaus Düren also auch das Marienhospital Düren waren mit einem Stand vertreten und versuchten Schülern unter anderem die neue generalistische Pflegeausbildung nahezubringen, die seit 2020 die Bereiche Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Kinderkrankenpflege zusammenfasst. Auszubildende Maren Koppitz beim St. Marien-Hospital Düren empfiehlt jedoch in jedem Fall ein zweiwöchiges Praktikum, ob einem die Pflege auch liege. „Es sind einfach viele Stellen offen“, fasste Menka Berres-Förster, Schulleiterin des Pflegebildungszentrums des St. Marien-Hospitals, die Situation auch in der Pflege zusammen.

Ein Praktikum empfehlen Ausbilder generell. Und natürlich dürfen Bewerberschreiben trotz allen Mangels nicht im „Whats-app-Nachrichten-Stil“ geschrieben sein – dies gilt besonders in den Berufen, wo Kommunikation mit Kunden oder Mandanten erforderlich ist, erklärte Udo Schäfer von der Rechtsanwaltskammer Köln. An seinen Stand war Schülerin Malena der Primus-Schule Titz gekommen und hatte schon mit einem Interesse am Jura-Studium recht konkrete Vorstellungen. Dass es in dem Bereich auch sehr gefragte Ausbildungsberufe mit guten Aufstiegsmöglichkeiten gibt, war ihr vorher nicht so bewusst. Schäfer konnte mit den Perspektiven der Rechtsanwaltsfachangestellten und der möglichen Weiterbildung zur geprüften Rechtsfachwirtin ihr Interesse wecken: Über 13.000 Anwälte gäbe es allein in der Region Aachen/Düren, erklärt er ihr. Und Anwälte würden immer gebraucht. Eine Alternative für Interessierte an den Themen Recht und Wirtschaft ist auch die Ausbildung des Stadtinspektoranwärters, beziehungsweise -anwärterin, die im Beamtenverhältnis, und bei den Stadtverwaltungen erfolgt. Die Kommunen Jülich, Linnich, Aldenhoven und Titz waren ebenfalls mit einem Stand vertreten und warben um Kandidaten für die Verwaltung.

Ein ganz besonderes Interesse weckte bei der Primus-Schülerin die Bundeswehr, die einen eigenen Infotruck aufgebaut hatte. „Die zahlreichen Möglichkeiten, das war mir neu“, so Malena. Alleine über 1300 zivile Ausbildungsplätze bietet die Bundeswehr sowie zahlreiche Studiengänge und auch eine Beamtenlaufbahn. Das Durchschnittsalter läge bei 58 Jahren, „da werden bald viele gehen“, sagte Bundeswehr-Ausbilder für KFZ-Technik Marcel Oellers zum Nachwuchsbedarf.

Natürlich durfte auch das Forschungszentrum als größter Arbeitgeber der Region nicht fehlen: Der Beruf des Chemielaboranten wurde hier häufig nachgefragt. Auf eher exotische Ausbildungen wie den des Glasapparatebauers oder der Fachkraft für Abwassertechnik ging Ausbilder beim Forschungszentrum Jülich, Stefan Turobin, dann konkret im Gespräch ein. Es seien manchmal gute Alternativen zu bekannteren Berufsbildern, erklärte er.

Das Catering des Berufsausbildungsmarktes hatten übrigens Schülerinnen und Schüler des Zweiges Ernährungs- und Versorgungsmanagement beim Berufskolleg organisiert. Die Einnahmen gehen an die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien.


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