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Gelebte Gleichberechtigung

Auf die Frage, ob sie sich als Vorbild sehe, wiegelt sie ab. Ach, eigentlich sei sie einfach immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Generell scheint das eines ihrer Lebensmottos zu sein. Das Leben nehmen, wie es kommt. Herausforderungen auch so annehmen, wie sie einem begegnen, grundsätzlich aber die Dinge in ihrem Fluss belassen. Damit sei sie all die Jahre vor allem ihres Berufslebens gut gefahren.

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Prof. Beate Lassonczyk. Foto: Andrea Esser
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Prof. Beate Lassonczyk ist eine kleine Person, ruhig, manchmal vielleicht auch unauffällig – im positiven Sinn. Sie ist eine von vier Frauen ihres Fachbereiches für Chemie und Biotechnologie an der FH Aachen, Campus Jülich und bis vor einem halben Jahr Dekanin desselben. Man könnte ihr also wohl auch etwas Understatement unterstellen. Denn nur rund ein Viertel der Professorinnen in Deutschland sind weiblich (Stand Ende 2019). In ihrem Fachgebiet Chemie und Biotechnologie, noch genauer Bodenkunde, deutschlandweit sicher weniger. Auch im Jülicher Fachbereich 3 liegt die Quote niedriger, bei etwa einem Fünftel zur Zeit.

Eine Zuwendung zu einem sogenannten MINT Fach zu Zeiten, wo die heute übliche Förderung von Mädchen in diesem Bereich noch nicht in aller Munde war. Wie kam es dazu?

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Geboren wurde Beate Lassonczyk als eines von drei Kindern in Marl. Die Eltern keine Akademiker, unterstützen die Tochter aber schon früh, dass sie alles machen könne, worauf sie Lust habe – dazu gehört auch studieren. Nach einer Zeit der Orientierung beginnt sie ihr Diplom-Studium der Agrarwissenschaften in Bonn. Das Thema habe sie einfach begeistert, was sie damit machen wolle, wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht so recht. Sich selbst beschreibt sie als eine zurückhaltende Frau während des Studiums. Ja, sicher sei sie eine von wenigen Frauen in ihrem Studium gewesen. Aber das sei ihr eigentlich nicht so recht bewusst gewesen. Es folgt im Anschluss ans Diplom dann sogar noch die Promotion, Dank ihres sehr engagierten Professors, Prof. Wiechmann. Er kommt auf sie zu und schlägt ihr vor zu promovieren. Sie selbst habe diese Möglichkeit eigentlich nicht für sich gesehen. Auch hier Bescheidenheit, schließlich hatte sie für ihre Promotion ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes inne gehabt. Schon vor dem Ende der Promotion 1987 bekommt die Studentin ein Jobangebot aus Berlin. Sie kann 1986 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Ökologie an der TU Berlin anfangen und übernimmt auch schon Lehraufgaben. Besonders die bald folgende Wendezeit habe sie als sehr spannend in Erinnerung.

Ihr Spezialgebiet Bodenökologie, im besonderen das Thema Altlasten, bringt ihr ihren nächsten Job ein. Beim Institut Fresenius, dass dank der Wende einen großen Aufschwung im Bereich Umweltanalytik und Altlastenerkundung erlebt. Ab 1991 arbeitet sie zunächst in Taunusstein, mit dem Versprechen an den da noch zu gründenden Standort Hamburg wechseln zu können. Ihren zukünftigen Mann kennt sie da schon – er wohnt in Hamburg. Perfekt also. Nebenbei hat sie einen Lehrauftrag an der Fachhochschule in Höxter, was den Beschluss reifen lässt, später nach praktischen Erfahrungen im Berufsleben, erneut hauptberuflich an einer Hochschule zu lehren. 1997 tritt sie ihre Professur im Bereich Bodenökologie in Jülich an, zu diesem Zeitpunkt noch im Diplom-Studiengang Chemieingenieurwesen mit Schwerpunkt Biotechnologie, später auch im Diplom-Studiengang Biotechnologie. Mit dem Bologna Prozess 2005 werden diese dann zu den heutigen Bachelor-Studiengängen Biotechnologie bzw. Angewandte Chemie werden.

Über zwanzig Jahre bleibt Professorin Lassonczyk Jülich also treu, in der Zeit von 2016 – 2019 sogar als gewählte Dekanin ihres Fachbereiches. Eine Zeit lang wirkt sie auch als Setllvertreterin der damaligen Gleichstellungsbeauftragten Frau Stühn mit. Zusammen bringen die beiden Frauen ein Promotions-Stipendienprogramm auf den Weg, das Absolventinnen die Promotion an der FH erleichtern soll. Generell scheint ihr das Thema Gleichberechtigung aber als das vorzukommen, was es auch sein sollte – eine Selbstverständlichkeit. So hat sie kaum schlechte Erinnerungen an Begebenheiten, wo sie sich im Besonderen gegen Männer habe durchsetzen müssen.

Manchmal frage sie sich natürlich auch die große „Was-wäre-wenn-Frage“. Zum Beispiel, wenn es um Kinder gehe. Das habe sich einfach nicht ergeben, sicherlich hätte ihr Leben sonst einen anderen Verlauf genommen. Prinzipiell komme sie immer wieder zu dem Schluss, dass alles gut sei, so wie es gekommen ist.

Beate Lassonczyk wirkt insgesamt wie jemand, der in sich ruht. Klar ist aber auch wie offen und flexibel man sein muss, gebotene Gelegenheiten sehen und annehmen zu können. Dennoch passt es zu ihr, dass sie sich in ihrer Freizeit gerne in der Natur aufhält, zum Radfahren oder wandern zum Beispiel.

Nach ihrer Pensionierung wird sie nach Hamburg zurückgehen. Über all die Jahre haben ihr Mann und sie das Haus dort nicht aufgegeben, sind gependelt und haben sich gegenseitig unterstützt. Hamburg scheint ihre Herzensstadt zu sein. Auf die Frage, was sie denn am meisten vermissen würde, wenn sie den Zweitwohnsitz in Jülich aufgibt und ganz zurück in ihre eigentliche Wahlheimat Pinneberg geht, antwortet sie: „Die Eifel.“ Nach kurzem Zögern fügt sie aber auch noch das Eis von Manu (Panciera) und die offene Rheinische Art der Jülicher hinzu. Einen Rat hat sie am Ende noch für alle Mädchen und jungen Frauen: Schule ist nicht alles. Auch wenn es da nicht so läuft, sei es wichtig sich alles zuzutrauen. Sie habe ihre Berufung auch erst nach der Schulzeit gefunden….und eine Berufung ist es – das strahlt Prof. Beate Lassonczyk mit jeder Pore aus.

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Andrea Eßer
In Jülich geboren und dann nach der Schule ab in den Süden zum Studium der Wortjonglage. Nach einer abwechslungsreichen Lehrzeit mit den Prominenten dieser Welt, überwog das Heimweh nach dem schönen Rheinland und Jülich im Speziellen. Deckname Lottofee, liebt ihre Familie, Süßigkeiten, Kaffee, alles Geschriebene und Torsten Sträter. Anfällig für sämtliche Suchtmittel (nur die legalen natürlich). Hat schon mal eine Ehrenurkunde gewonnen und ihre erste Zeitung bereits mit zehn Jahren herausgegeben. Hauptberuflich strenger Händchenhalter eines Haufens vornehmlich junger Männer. Der Tag hat notorisch zu wenige Stunden für alle Pläne und kreativen Vorhaben, die meiste Zeit etwas verwirrt.

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