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„Kultur ist kein nachwachsender Rohstoff!“

Wie eine ganz gewöhnliche Immobilie stand es im Netz zum Verkauf, das denkmalgeschützte Wasserschloss Kellenberg am nördlichen Rand von Barmen.

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Schloss Kellenberg in Barmen steht zum Verkauf. Foto: Sonja Neukirchen
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300.000 Euro lautete das Mindestgebot im Rahmen eines Bieterverfahrens für das Anwesen Schloss Kellenberg in Barmen, dessen erste Runde am 6. Februar geendet ist. „Das Schloss ist eigentlich in unsere kulturelle Welt integriert und wir wissen eigentlich gar nichts“, kritisiert Historiker Alexander Holz die Kommunikation. Holz engagiert sich als Anwohner auch ehrenamtlich in Barmen. Der Verkäufer des Schlosses, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW (BLB), gibt sich nach der ersten Runde im Bieterverfahren bedeckt und bittet um Verständnis mit dem Hinweis auf „Vertraulichkeitsgründe“. Auch eine Auskunft, wann mit einem Zuschlag zu rechnen ist, gab es bislang nicht.

Idyllisch gelegen, in einem Naturschutzgebiet, das mittlerweile mit dem Status FFH (Flora, Fauna, Habitat) versehen ist – dem höchste Schutzstatus, der von der Europäischen Union vergeben wird – ist es beliebter Ort für Schulklassen-Ausflüge und historische Feste. Es hat sicher in hunderten junger Mädchen den Wunsch beflügelt, einmal Prinzessin zu sein. Jungs träumten vielleicht vom stolzen Rittertum. Das Schloss weckte immer schon Fantasien – und jetzt auch die von potenziellen Käufern?

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Luxusautos und E-Autos habe er immer wieder samstags vor dem Schloss gesehen, sagt ein Anwohner, der schon seine 80 Lenzen überschritten hat und das Schloss und auch die gräfliche Familie gut kenne, die dort früher residiert hat. Im April letzten Jahres verstarb die letzte Bewohnerin, die Witwe des Reinhart Reichsgraf von und zu Hoensbruch, Angehöriger des Adelsgeschlechts, dem das Schloss seit 1888 gehörte. Gräfin Immaculata von und zu Hoensbroech sei sehr nett und freundlich gewesen, sagt der Anwohner. Seine Frau erinnert sich: Sie habe als junges Mädchen immer einen Knicks vor ihr gemacht, wenn sie ihr begegnet war. „Kaiserliche Hoheit“ habe sie zu ihr gesagt, denn sie ginge in direkter Linie auf Sissi, die Kaiserin von Österreich zurück.

Im 14. Jahrhundert existierte ein Ritter Emunt von Barmen, der unter anderem durch Straßenraub und Plünderungen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Foto: Sonja Neukirchen

Um das Schloss ranken mehrere Geschichten – alte und neue. Zu den aktuelleren gehört der vieldiskutierte Verkauf aus den Händen der Adelsfamilie an die hundertprozentige Landestochter BLB. 3,1 Millionen Euro waren dafür im Jahr 2009 insgesamt geflossen – für die Immobilie inklusive Grün- und Waldfläche, die jetzt wieder zum Verkauf steht. Der Kaufpreis war vom BLB allerdings in wenigen Monaten abgeschrieben worden. Die Transaktion geriet auf den Radar des Landesrechnungshofes. Ein Untersuchungsausschuss prüfte gleich mehre dubiose Immobilientransaktionen der BLB – ein Wirtschaftsrkimi. Aber der Kauf von Schloss Kellenberg erwies sich offenbar nicht als Teil der Betrugsgeschichte. Andrea Defeld vom Bund der Steuerzahler Deutschland e.V., der die Transaktion dennoch stark kritisiert, kommentierte in einer aktuellen Pressemitteilung zum Verkauf: „Kaufen Privatleute das Schloss zum Schnäppchenpreis, sind auch die Steuerzahler wieder mit im Boot. Für die Sanierung werden bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt.“

Was des einen Leid, ist aber des anderen Freud, denn Historiker sind sich einig, dass das Schloss als Kulturdenkmal in jedem Fall erhalten werden sollte, auch wenn es unter anderem 1992 zu einem schweren Brand gekommen war und auch im entsprechenden Exposé des BLB als „stark sanierungsbedürftig und modernisierungsbedürftig“ bezeichnet wird. Mittlerweile kann das Exposé auf der Webseite nicht mehr eingesehen werden. Vorgeschlagen wurde jedoch eine Nutzung zum Beispiel als Tagungs- und Kongress-Center – das sah auch das ursprüngliche Nutzungskonzept des BLB vor.

Der Jülicher Geschichtskenner und Historiker Guido von Büren wünscht sich eine eher „defensive Nutzung“ für das schöne Schloss. Es sei eines der herausragendsten Wasserschlösser unserer Region, sagt er. Er hätte sich eine andere Strategie als den Verkauf an Privat gewünscht, nämlich dass sich jemand aus der Politik für den Erhalt stark gemacht hätte. „Kultur ist ja kein nachwachsender Rohstoff“, mahnt er. Im Rahmen des Braunkohletagebaus seien ganze Kulturlandschaften abgebaggert worden. Im Rahmen des Strukturwandels hätte eines Schloss Kellenbergs gedacht werden können, findet von Büren. Doch das ist vergossene Milch.

Foto: Sonja Neukirchen

Von der geschützten Landschaft, in die das Schloss eingebettet ist, schwärmt Robert Mohl, Naturschutzwart in Jülich. Es gebe dort eine „seltene Sammlung an Pflanzen des feuchten Waldes.“ Ein Kenner der Familie berichtet, dass es dort ein so genanntes Arboretum gebe. Jeder der Familie hätte von seiner Reise einen Baum mitgebracht und angepflanzt. Auch ein kanadischer Mammutbaum gehört dazu. Außerdem Douglas-Tannen, Sumpf-Zypressen und Atlas-Zedern, weiß Mohl.

Schwärmt der Kenner der Flora vom Bewuchs, schwelgt der Historiker in den Geschichten von Kellenberg: Namentlich erstmalig erwähnt worden sei es im 16. Jahrhundert. Vorher sei es das „Haus Barmen“ gewesen. 1410 sei es vom letzten Herrn von Barmen verkauft worden. „Dann kam über Schloss Kellenberg erstmal der Nebel der Geschichte“, so Holz. 1638 kaufte es Jan von Werth für seine Frau, damals auch als Ruine. „Warum es so ramponiert war, weiß man nicht“, so Holz. 1888 kam es dann über Heirat in den Besitz des Adelsgeschlechts von Hoensbroech. Für einen Barmener wie ihn gehört die Faszination für die höfische Kultur wohl dazu. Auch ein Volksmärchen ist mit dem Schloss verbunden: das des versunkenen Ritters, der mit einem Teufelsfluch auf den Lippen Jagd nach einem aus dem Kerker entflohenen Sträfling im Sumpf der Rur versunken sein soll. Ein Kreuz erinnert noch an die Beinahe-Sage, in der auch ein paar wahre Begebenheiten verankert sind. „Die meisten Menschen hier bewegt das Schicksal des Schlosses“, bringt Holz es auf den Punkt. Dass das Schloss selbst nur noch eine Geschichte ist, daran möchte hier im Moment wohl niemand denken.


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