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Muschelperspektiven

Etwas turbulent wurde es in der jüngsten Sitzung des Planungs-, Umwelt-, Bauausschusses im großen Sitzungssaal der Jülicher Rathauses. TOP 13 Flächennutzungsplanänderung und 21 Bebauungsplan Nr. A 32 behandelten das Thema „Muschel“ oder „Veranstaltungsfläche“ im Brückenkopf-Park.

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Brückenkopf-Park Muschel Stadtgarten
Blick in den Stadtgarten des Brückenkopf-Parks Jülich. Foto: Olaf Kiel
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Es ist das Jahr 2 der „Muscheldiskussion“. Im September 2018 kam das Thema erstmals auf die Tagesordnung.Die kritischen Aspekte sind bereits mehrfach diskutiert worden und nicht neu: Aufstellungsort, Parkplätze und Lärmbelästigung, Hallengröße und Planungsverfahren kamen wieder auf den Tisch als es jetzt darum ging, in die finale Runde zur Abstimmung zu kommen. Ausführlich erläuterten Martin Schulz als technischer Beigeordneter und Bürgermeister Axel Fuchs noch einmal die Einzelpunkte.

In aller Kürze:
Parkplätze seien in großer Zahl im Bebauungsplan ausgewiesen. Bereits im Bauantrag seien rund 2000 Parkplätze nachgewiesen worden. Nachgebessert werden soll noch in Sachen Beleuchtung der Wegeführung von der Parkfläche Karl-Knipprath-Stadion und Lindenrondell. Weitere Parkplätze stünden bei Großveranstaltungen auf dem alten Hesselmann-Gelände zur Verfügung und direkt an der „Muschel“ für Gehbehinderte. Betont wurde noch einmal, dass die Bewohner „links der Rur“ daher unbesorgt seien könnten.

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Der Standort Stadtgarten ist begründet und nach Überzeugung der Verwaltung alternativlos. Das hat unterschiedliche Gründe: Einerseits spielt die Erreichbarkeit eine Rolle und die Parkplatzssituation, die gegen die Standorte Obstwiese und der Fläche neben dem Zeltplatz sprechen würden. Norbert Kloeters habe sein Urheberrecht am Areal rund um das Apfelquadrat geltend gemacht – zu LaGa-Zeiten mit dem 1. Platz des Bundes Deutscher Landschafts-Architekten prämiert – und damit diesen Aufstellungsort unmöglich gemacht. Innerstädtische bestünden keine Möglichkeiten.

Gleichzeitig referierte Martin Schulz, dass der Standort „Muschel“ sogar in einer gewissen Tradition stünde: Bereits Napoleons Architekten hätten ursprünglich im heutigen Stadtgarten eine große Defensionskaserne vorgesehen. Der französische Kaiser hätten den Bau aus Kostengründen gestrichen. Ausführlich ist dieser Aspekt auch unter Punkt 39 der „frühzeitigen Beteiligung“ nachzulesen.

Bezüglich der Einwände zum Lärmpegel betonte Bürgermeister Fuchs, dass durch die geschlossene Form der „Muschel“ Mensch und Tier im Umfeld mehr Ruhe hätten als zu Zeiten der offenen Hauptbühne ab 1998. Der Umzug der direkt an der Muschel auf der Hohltraverse 6 beheimateten „Muffels“ ist ohnehin bereits beschlossene Sache. Der Grund: Wenigstens zweimal im Jahr würden Tiere in den Weiher fallen und gerettet werden müssten. Angekündigt wurden darüber hinaus weitere Lärmschutztests.

Wenn „Events“ nach Jülich kommen sollen, setzen Veranstalter ein Fassungsvermögen von 1500 Plätzen voraus. Dieses sei mit einer entsprechenden Hallengröße verbunden. Hintergrund ist, dass Jülich als zentraler Ort im Strukturwandel und der Wachstumsinitiative gilt. Demnach sollen perspektivisch über 40.000 Einwohner Jülich bewohnen.

Im Februar 2019 hatte der Stadtrat das Vorhaben „Muschel“ mit mit der Mehrheit von CDU, JÜL, SPD und FDP auf den Weg gebraucht und die Verwaltung mit der Umsetzung beauftragt. In der Januar-Sitzung 2019 hatte der damalige Grünenchef Lutz Baumgarten ebenfalls grundsätzlich für die Muschel ausgesprochen, wie der Niederschrift zu entnehmen ist – allerdings kritisierte er den Standort.

Angesichts der Beauftragung der Verwaltung vor fast anderthalb Jahren kritisierte Martin Schulz FDP und SPD, die ihre Zustimmung mit der Einschränkung erteilten, man werde nur zustimmen, um das Projekt nicht zu verhindern und positiv voranzutreiben. Die CDU betonte ihrerseits, sie stünde „voll und ganz dahinter“ und Erich Gussen erklärte stellvertretend: „Wir werden das auch weiter verteidigen“. Als Ausschussvorsitzender ergriff auch Christian Klems (JÜL) das Wort: „Diskussion muss sein, auch kritische Töne. Aber wir haben uns diesen Weg gemeinsam erarbeitet – und jetzt müssen wir den Weg gemeinsam gehen.“ Man sei ein Risiko eingegangen, aber er glaube fest, „dass wir an dieser Stelle eine Erfolgsgeschichte schreiben.“

Streitpunkt ist, dass die „Muschel“ bereits steht und jetzt vor der Sommerpause 2020 die Flächennutzungsplanänderung und der Bebauungsplan quasi im Nachgang als Beschluss anstand. Der LVR hatte über die Tagespresse die Forderung nach einem Abriss der Muschel formuliert. Die Grünen hakten in der Sitzung nach, ob der Bau unzulässig sei und eine juristische Prüfung erfolgt sei. Hintergrund ist der Zweifel, ob es sich bei der „Muschel“ um einen so genannten „fliegenden Bau“ handelt – also ein Zelt im weitesten Sinne – oder um ein Bauwerk. Letzteres ist mit dem Erdboden durch ein Fundament fest verbunden. Das sei, so Schulz, bei der Muschel nicht der Fall. Sie sei wie ein Festzelt zu Karnevals- und Schützenfestzeiten nur mit Erdnägeln verankert und der Aufbau sei auch im dazugehörenden umfangreichen „Zeltbuch“ nachzulesen. Um einer gerichtlichen Klärung und damit einer Verschleppung der Nutzung der Muschel entgegenzuwirken, habe sich die Verwaltung zu diesem Verfahren entschieden, erklärte Martin Schulz.

Innenansicht der Muschel mit Bestuhlung für Veranstaltungen. (aus der Vorlage der Stadt)
Im Klartext geht es darum, dass durch das coronabedingte Veranstaltungsverbot bis Ende August geplante Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Dem Brückenkopf-Park fehlen dadurch wichtige Einnahmen, die zum Erhalt des Denkmals Brückenkopf dringend benötigt werden. Rund 1,7 Millionen Euro stehen nach einem vier Jahre alten Gutachten alleine für die Sanierung der Palisaden und der Mittelbastion im Festungswerk an. „Ein Denkmal muss genutzt werden, damit es erhalten werden kann“, formulierte es Martin Schulz. Und für den Erhalt müssen Stadt und Brückenkopf-Park gerade stehen.

Die Grünen hatten im Planungsausschuss Beratungsbedarf angemeldet. Sie wollten das Verfahren „Muschel“ über die Kommunalwahl hinaus in den November vertagen. Dem Beratungsbedarf hätten die anderen Fraktionen zwar stattgeben, aber – wie in diesen Fällen üblich – lediglich bis maximal zur entscheidenden Ratssitzung vor der Sommerpause.

Lebhaft wurde es, als die Grünen nachfragten, ob ein Abbau der „Muschel“ möglich wäre und zu welchem Preis. Die übrigen Fraktionen ließen ungläubiges Gemurmel hören. Bürgermeister Fuchs wurde sehr deutlich. 2,5 Millionen Euro habe die „Ertüchtigung“ des Stadtgartens gekostet, den Abbau der Muschel bezifferte Fuchs mit 100.000 Euro – unberechenbar allerdings sei neben dem finanziellen der Imageschaden, der durch diese „unsäglichen Diskussion“ hervorgerufen werde. Erstmals in der Geschichte des Forschungszentrum solle deren Jahresendempfang nicht in Bonn oder Düsseldorf, sondern in Jülich stattfinden. Wörtlich sagte Fuchs: „Wir sollten stolz sein auf eine Kommune und Kommunalpolitik, die es schafft, 15 Monate nach einer Stadthallenschließung für die Menschen, Kultur, Forschung und Brauchtum eine solche Veranstaltungsmöglichkeit zu schaffen.“

Die letzte Entscheidung fällt in Jülich in der Ratssitzung am 25. Juni.

Zum Thema: Muschelgetuschel

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Dorothée Schenk
Freie Journalistin, Redakteurin (gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach) und Kunsthistorikerin (M.A. in Würzburg) Gebürtige Sauerländerin und Wahl-Jülicherin.

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