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Mahn- und Ge-Denkmäler in Jülich

November ist traditionell der Monat des Gedenks und der Erinnerung. Jülich hat hierfür zentrale Gedenkstätten geschaffen.

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Mahnmal für die im Naziterror ermordeten Jülicher jüdischen Glaubens auf dem Propst Bechte Platz. Foto: Volker Goebels
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Zu den zahlreichen Verbrechen der NS-Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs gehört die systematische Ausbeutung von Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter. Männer, Frauen und Kinder, besonders aus Russland, der Ukraine und Polen, aber auch aus Belgien waren in dem Lager untergebracht und wurden zum überwiegenden Teil im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW), einige in der Landwirtschaft eingesetzt. Hinzu kamen 1943 für eine kurze Zeit auch zahlreiche Franzosen, die zuvor bei der Friedrich Krupp GmbH in Essen-Borbeck gearbeitet hatten. Zeitweilig waren über tausend Menschen zwangskaserniert. Niemand weiß, wie viele Menschen zu welcher Zeit im Lager untergebracht waren. Die Unterlagen gingen bei den Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkrieges verloren. Für viele Arbeiter war das Lager in Iktebach nur kurze Zwischenstation, entsprechend hoch war die Fluktuation.

Bei einem alliierten Luftangriff am 29. September 1944 auf das RAW wurden auch Teile des benachbarten Zwangsarbeiterlagers zerstört. Mehrere hundert Menschen kamen dabei ums Leben und wurden in den Bombentrichtern begraben. Das Gelände wurde nach dem Krieg einplaniert und geriet – nicht zuletzt durch einen üppigen natürlichen Bewuchs – in Vergessenheit.
Seit 1985 erinnert ein durch Pax Christi initiiertes orthodoxes Gedenkkreuz des Bildhauers Friedel Denecke und eine Infotafel an die traurige Vergangenheit des Ortes. Die Unterschutzstellung als Bodendenkmal an der Leo-Brandt-Straße ist ein wichtiger Schritt, die Erinnerung an diesen unbequemen Teil der Jülicher Vergangenheit wach zu halten. Gleichzeitig ist sie eine Verbeugung vor den vielen namenlosen Toten, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.

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Lesen Sie hierzu: „Liebe Mutter ich werde zurückkehren“

Denkmal für die Zwangsarbeiter in Jülich an der Leo-Brandt-Straße. Foto: Volker Goebels

Das Denkmal zum 16. November wurde auf dem Schlossplatz 1954 anlässlich der 10. Wiederkehr der Zerstörung der Stadt Jülich errichtet. Der Entwurf der Plakette stammt vom Jülicher Grafiker Dietmar Biermann. Im Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Hauptausschusses vom 4. Oktober 1954 wurde folgendes verfügt: „Die Ausführung soll in einer Bronzeplatte erfolgen, die auf einem Findling angebracht wird. Der Entwurf symbolisiert durch eine Figur Tragik und Leid aus der Zerstörung der Stadt.“ Die Kosten wurde mit rund 1900 DM beziffert. Zunächst sollte das „Ehrenmal“ auf dem Kirchplatz an der Kölnstraße errichtet werden. Nachdem entschieden worden war, dass ein Naturstein aufgestellt werden sollte, war man der Auffassung, dass sich „ein Naturstein nicht für die Aufstellung im Mittelpunkt der Stadt eignet. Deshalb wurde dann der Standort am Schlossplatz gewählt. Der Stein stammt einem Artikel in der Jülicher Volkszeitung vom 17. November 1954 zufolge aus dem Odenwald.
An diesem Mahnmal findet normalerweise die Gedenkfeier zur Zerstörung Jülichs statt, die in diesem Jahr wegen der Pandemie gemeinsam mit dem Gedenken zum Volkstrauertag auf dem Ehrenfriedhof an der Linnicher Straße begangen wird.

Gedenkstätte an die Zerstörung Jülichs beim Bombenangriff am 16. November 1944. Foto: Dorothée Schenk

16 Jahre lang wurde um die Gedenkstätte für die Leistungen von Jülichern für den Wiederaufbau – insbesondere der Frauen gerungen, die heute in direkter Nachbarschaft des Mahnmals zur Zerstörung Jülichs 1944 auf dem Schlossplatz steht.

Die Initiative geht auf Gerta Mojert zurück, die als junge Frau diese Zeit und den Einsatz der so genannten „Trümmerfrauen“ intensiv miterlebte. Im Zuge der Innenstadt-Umgestaltung 1987 fühlte sie sich an die Nachkriegszeit erinnert und formulierte den ersten Antrag. Trotz reichlich Widerstand aus Politik und Verwaltung kam es schließlich im Jahr 2000 mit Unterstützung von Dr. Peter Nieveler als Geschäftsführer des Brückenkopf-Parks und Conrad Doose als Vorsitzendem des Fördervereins Festung Zitadelle zu Plänen für eine Umsetzung. Der Architekt Prof. Jürgen Eberhardt entwarf mit beratender Unterstützung von Norbert Freudenberg und dem Stolberger Restaurator und Denkmalpfleger Peter Möhring letztlich das Mahnmal – so ist es in der Jülicher Zeitung anlässlich der Einweihung am 11. April 2003 nachzulesen. Ausgeführt haben es die Hauptwerkstätten des Forschungszentrums Jülich.

Gedenkstätte für . Foto: Dorothée Schenk

Den ermordeten Menschen jüdischen Glaubens im Jülicher Land ist das Mahnmal auf dem Propst Bechte Platz gewidmet. Geschaffen von Michael Wolf, einem Bildhauer und Steinmetz aus Jüchen.

135.000 DM hat das künstlerische Mahnmal gekostet. Beteiligt haben sich durch Spenden viele Institutionen, Unternehmen, Privatpersonen und Vereine an diesem Projekt. Das Mahnmal besteht aus zwei geschwungenen schwarzen indischen Granitblöcken, die aus vier Einzelteilen zu den beiden geschwungenen Mauern zusammengesetzt worden sind. Zwei menschliche Skulpturen stehen sich hier gegenüber, um ein Aufeinander-zu-gehen zu symbolisieren. 250 namentlich bekannte Opfer sind hier im wahrsten Sinne in Stein gemeißelt. Zur Einweihung 2001 sagte Dr. Peter Nieveler: „Sie wurden ermordet und ihrer Persönlichkeit beraubt, getötet, verbrannt in Gräben geworfen, wie man es mit toten Tieren nie tun würde. Sie wurden gequält und mussten hungern, sie wurden geschändet und entrechtet, mit ihrem Leben wurden ihnen ihre Namen und ihre Würde genommen. (…) Auch dieser Stein hier, dieses Mahnmal, kann nicht entschuldigen, vermag dem Verständnis nicht weiter zu helfen. Aber es soll den Toten ihre je einzelnen Namen, ihre personale Würde wiedergeben. Sie werden nicht mehr totgeschwiegen in Jülich, sie sind wieder die, die sie waren – Mit-Menschen. Mahnung muss uns dieser Stein sein!“
Passanten und Schüler „begegnen“ diesen Menschen so tagtäglich in diesem imposanten Ge-Denkstein. Damit bleiben die Toten im Bewusstsein und ein Teil des Lebens. Das Mahnmal soll „im Weg stehen“, wie es Künstler Michael Wolf formuliert hat. Honorar nahm er für den Entwurf keines. Er widmet das Werk „seinen Kindern“.

Mahnmal auf dem Propst Bechte Platz. Foto: Volker Goebels

Schon 1999 gab es große Einigkeit, dass dieses Mahnmal errichtet werden solle. Diskussionen gab es um den Aufstellungsort. Letztlich fiel die Entscheidung gegen den Schlossplatz für den Propst-Bechte-Platz, der in direkter Nachbarschaft zum jüdischen Friedhof liegt. Hier steht ein Gedenkstein aus den 1960er Jahren, dessen Aufschrift „Unseren verstorbenen jüdischen Mitbürgern zum Gedenken“ in seiner verharmlosenden Formulierung ein Zeitzeugnis ist, zu dem das neue Mahnmal einen deutlichen Kontrapunkt setzen sollte.
Eingeweiht wurde das Jülicher Holocaust-Denkmal am 2. Dezember 2001 im Beisein des jüngst verstorbenen und damaligen NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement.
Alljährlich findet das Finale der Gedenkfeier zu Pogromnacht am Mahnmal Propst-Bechte-Platz statt. In diesem Jahr findet sie am 10. November statt. Beginn ist um 18.30 Uhr an der Gedenktafel „An der Synagoge“. Von dort geht es in einer Lichter-Prozession zum Mahnmal. Die Veranstaltung wird gegen 19:15 Uhr beendet sein.

Lesen Sie die Rede von Dr. Peter Nieveler anlässlich der Einweihung des Mahnmals 2001.

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Dorothée Schenk
Freie Journalistin, Redakteurin (gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach) und Kunsthistorikerin (M.A. in Würzburg) Gebürtige Sauerländerin und Wahl-Jülicherin.

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