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Simon Claßen

Ein Fleischsommelier mit Liebe zu Soßen.

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Simon Claßen. Foto: La Mechky+
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„Brisket zubereitet auf einem Smoker, mit leichter Rauchnote, das ist ein butterzartes Geschmackserlebnis, bei dem das Fleisch schon im Mund zerfällt. Dann nur mit etwas Salz abgeschmeckt und einem schönen Pfeffer dran.“ Wenn Fleischsommelier Simon Claßen über seine Profession und Leidenschaft spricht, läuft dem Gegenüber das Wasser im Mund zusammen. „Wir teilen Genuss, wir teilen Geschmacksmomente“, sagt er. „Der Metzger heutzutage muss auch Koch sein.“ Dem (noch) 26-Jährigen kann man stundenlang zuhören, staunen und Appetit bekommen, wenn er über Gewürzmischungen spricht, die er selbst aus Naturkräutern kreiert, über Veredelung vom Dry Aging oder Vakuumreifung, Beizen oder Fermentieren, Pökeln, Räuchern und Konfieren oder einem Mehr-Gänge-Menü, das man auf einem Grill zubereiten kann. Für diese Basis hat er „auf der Walz“ bei vielen namhaften Fleischern, Grillmeistern und Meisterköchen Wissen zusammengetragen: „Ich konnte Sterneköchen über die Schulter gucken und sehen, wie sie das Beste aus einem Lebensmittel herausholen“, erzählt Simon Claßen und berichtet von seinen Besuchen bei Lucki Maurer im Bayrischen Wald, Bio-Wagyu-Züchter und Eventkoch, Kochbuchautor Heiko Antoniewicz, der Genussschule von Reiner Hensen oder Alexander Wulf im Nachbarkreis Heinsberg.

Bei letzteren hat er sein Wissen um Soßen verfeinert, für deren Zubereitung er besondere Begeisterung mitbringt: „Klar kostet das ein bisschen mehr, wenn man aus einem Rinderfond eine Soße kocht, weil es viel mehr Arbeit macht: Der Fond muss über Nacht garen, anschließend gesiebt werden, und danach wird eine Soße daraus gezogen – ganz ohne Pulver. Letztendlich haben wir die Grundlagen: Knochen, bindegewebsreiche Stücke, die schlecht in der Wurst zu verarbeiten sind – so können wir alle Stücke des Tieres verwerten.“ Das ist ihm besonders wichtig und ein Teil des Credos seines Netzwerks, das sich in Vereinsnamen wie „Gentlemeats Club“ und „Wir sind anders“ ausdrückt“. „Es geht den jungen Fleischermeistern und -meisterinnen um den „Respekt vor dem Tier als Lebewesen“, sein Fleisch als Produkt für eine gesunde Ernährung zu bewahren und zu vertreten, und sich dabei dem Für und Wider in der Gesellschaft zu stellen. Herzblut, Leidenschaft und Wissenshunger sind neben der Loyalität gegenüber dem Handwerk die Grundpfeiler des gemeinsamen Handelns.“ Oder kurz gefasst: „Back to the Roots – der Ursprung ist die Zukunft“. Gerade das Netzwerk, berichtet Simon Claßen, habe ihm zu Anfang der Corona-Zeit gute Dienste geleistet, weil man sich über die praktische Umsetzung der Verordnung gut austauschen konnte.

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Apropos „Back to the Roots“: Natürlich achtet der Sohn wie schon sein Vater darauf, woher die Tiere kommen, die den Weg über ihre Theke nehmen. Ein besonderes Schmankerl ist aber das Fleisch der Longhorn-Rinder aus der Eifel von Sabine Zentis. Sie war 1989 die erste Longhornzüchterin außerhalb Großbritanniens. „Die Longhorns sind auch Landschaftspfleger“, weiß Simon Claßen, „eine Rasse, die ganzjährig auf der Wiese stehen kann.“ Weiterhin wissenswert: Es werden keine Jungtiere geschlachtet, das bedeutet aber auch: „Sie müssen länger am Knochen reifen. Wenn wir das Vakuumreifen würden, würde der Kunde sagen: Das ist aber relativ bissfest.“ Reift es am Knochen, ist das Fleisch bekömmlicher, der Geschmack intensiver und „über die Länge der Reife bekommen wir eine superschöne Zartheit hin.“ Weit über Jülich hinaus ist die Metzgerei Claßen mit dieser Besonderheit bekannt geworden, „weil ich immer Bilder und Videos poste“, meint der internetaffine Fleischsommelier. Die Kundschaft sitzt in München und Südtirol, in Münster und aus Köln reisen Kenner sogar persönlich an.

Neben der Überzeugung und gesundem Selbstbewusstsein ist aus den Worten des Juniorchefs der Metzgerei Claßen viel Bescheidenheit, Respekt und Wertschätzung zu hören: Als Innungssieger konnte Simon Claßen ohne Gesellenjahre direkt „den Meister drangehängen“, als Zusatzqualifikationen setzte er den Fleischsommelier und Ernährungsberater oben drauf, aber „weil ich danach immer noch nicht das Gefühl hatte, den größten Titel im Handwerk tragen zu können – den Meistertitel – weil ich wusste, ich habe noch nicht das Wissen und die Erfahrung meines Vaters, so bin ich auf die Idee der Walz gekommen“. Viel Ermutigung habe er von seinen Eltern erfahren. Auch wenn das nicht von Anfang an so war, grinst der 26-Jährige: Eigentlich sollte er nach dem Abitur am Gymnasium Zitadelle studieren gehen. Für das Wunschfach „Psychologie“ hat es nicht gereicht, und so kam es zur Fächerkombination BWL und Logistik. Kein Glücksgriff. Also hat er sich einen Ausbildungsplatz in einer Metzgerei in Aachen verschafft – ohne Wissen der Eltern. Denen legte er dann nur den fertigen Lehrvertrag vor. „Mein Vater war megabegeistert – bei meiner Mutter war anfangs die Stimmung etwas gedrückt. Heute ist das natürlich anders, weil sie sieht, dass ich im Beruf aufgehe.“

Und diese Begeisterung und Überzeugung behält Simon Claßen nicht für sich. Der einst Lernende ist inzwischen zum Lehrenden geworden. Im Zentrum für Aus- und Weiterbildung des Mittelstands (ZAWM) in Eupen unterrichtet er Köche und andere Fleischer, erklärt Rinderrassen und wie man Fleischstücke zubereitet und die unterschiedlichen Veredelungstechniken. Denn, so hat es der junge Sommelier von den Meistern selbst gelernt: „Manchmal sind es nur kleine Handgriffe, die viel verändern können, die Zeit sparen oder mehr Qualität ermöglichen, mehr Geschmacksnuancen.“

Was dem kochenden Fleischsommelier übrigens am Liebsten auf der Zunge zergeht sind nicht etwa die kurzgebratenen Teile, denn „beim Steak hat man schnell alle Zubereitungsarten gelernt“. Vielmehr sind es die Schmorgerichte die ihn begeistern, weil man durch Zutaten und Gewürze den Geschmack hervorheben kann und „weil es für mich für den Genuss und das Zelebrieren von Fleisch steht. Im Schmorgericht steckt viel mehr Emotionen und Leidenschaft“, spricht’s, lächelt und ergänzt: „Mamas Rouladen sind die Besten!“

So fügen sich Tradition und Zukunft auf vielen Ebenen bestens ineinander. Wenn Simon Claßen im neuen Jahr den Familienbetrieb übernimmt, stehen Mutter Anke für das betriebswirtschaftliche Tagesgeschäft und Vater Peter als „handwerkliche Backoffice“ weiter an seiner Seite. Denn für das Kerngeschäft, das traditionelle Wurstherstellen, das in großer Stückzahl erfolgen muss, „hat mein Vater viel mehr Know-How und Erfahrung als ich“, und mit den neuen Hinschmeckern lockt der Junior-Chef dann jüngeres Publikum und neue Kunden. Und Simon Claßen freut sich auf Verstärkung: Seine Freundin, ebenfalls mit Meistertitel und Sommelier-Qualifikation, zieht im November zu ihm nach Jülich und wird Teil des Betriebes. Dann kann man Verantwortung im besten Sinne teilen. Und, so hofft er, dann wird er auch mehr Zeit für Sport haben. Zwar zieht es ihn ein- bis zweimal in der Woche ins Fitnessstudio, aber das reicht für eine Vorbereitung zum Hindernislauf nicht, der ihn gemeinsam mit seinem Bruder Benedikt früher vor Herausforderungen stellte. Und das ist wieder das Ziel: Noch einmal in der Schweiz zum 25-Kilometer-Lauf durch die Berge starten. „Ich gehe gerne ans Limit“, sagt Simon Claßen und lacht. Das scheint für viele Lebensbereiche zu gelten.


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