Start Stadtteile Jülich Viva Italia! – Che Disastro!

Viva Italia! – Che Disastro!

Zum internationalen Museumstag am Sonntag, 18. Mai, wird "Licht und Schatten" auf die Italienreise von Jülichs Malerfürst Johann Wilhelm Schirmer geworfen. Eröffnung feiert die Ausstellung in der Schlosskapelle um 11 Uhr. Kunsthistorikerin Stephanie Decker, die neue Leiterin der Kunstsammlung, gibt Einblicke in die Hintergründe der Werkschau.

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Stephanie Decker hat für das Museum Zitadelle Jülich eine besondere Ausstellung kuratiert. Foto: Dorothée Schenk
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Johann Wilhelm Schirmer empfängt die Gäste schon in der Poterne zum Pulvermagazin der Festung Zitadelle. Präsentiert wird die Skulptur von Bonifatius Stirnberg in der Rückenansicht. Nicht gerade einladend, nicht höflich, aber inhaltlich konsequent für die Absicht der neuen Ausstellung „Licht und Schatten“. Vordergründig geht es um die Präsentation von Werken, die im Zuge der Italienreise von Schirmer 1839/40 entstanden sind. Subtil allerdings polarisiert die Ausstellung und lässt Betrachtende auch schon mal mit Fragen zurück.

„Die Ausstellung ist nicht einfach nur schön“, erläutert Stephanie Decker schmunzelnd, die als neue Leiterin der Jülicher Kunstsammlung als Kuratorin für die Werkpräsentation verantwortlich zeichnet. Als sie sich in Vorbereitung der Ausstellung mit den Briefen von Schirmer beschäftigte, stellte sie fest: „Das ist nicht nur Begeisterung! Ich war völlig überrascht, dass darin auch ganz viel von Überforderung steht, von Missgefallen, vom Umgang mit der Fremde.“

Ist Geschichte objektiv?
Daraus entwickelte sich die Idee, genau von den Konflikten und der Ambivalenz zu erzählen, der auch die reisenden Künstler ausgesetzt waren. Die Schattenseiten. Kennt man diese, ist man verblüfft von der Begeisterung und Schwärmerei Schirmers – im Wortsinn der Ausstellungsarchitektur – auf der anderen Seite. Denn genau mit diesen gegensätzlichen Erfahrungswelten spielt Stephanie Decker. Sie wirft die Frage auf: „Kann Geschichte überhaupt objektiv erzählt werden?“ Schließlich werde sie immer gefiltert durch ein Subjekt. Auch hierfür möchte die Ausstellung das Bewusstsein der Besucherinnen und Besucher schärfen.

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„Dreh und Angelpunkt sind letztlich gar nicht die Bilder geworden, sondern die Schriftzeugnisse zwischen Schirmer und seinem Freund Karl Schnaase, der auch für Düsseldorf später eine ganz entscheidende Persönlichkeit ist. Es ist ein sehr intimer Einblick, den wir durch die Briefe erhalten und den wir hier auf die Spitze getrieben haben.“ Denn es gibt eine Licht- und eine Schattenseite. Die Kunstinteressierten und neugierig Gewordenen haben die Wahl, welche Richtung sie einschlagen möchten: „Beim herrlichsten Himmel im blauen Meer gebadet […], Besuch von […] Reisegefährten aus Mailand einer der liebwürdigsten Leute, die mir vorgekommen, führte mich einem seiner Freunde zu […], schöner Abend […] in ein Kaffeehaus, Eis genommen und nach Hause.“

oder „die Zudringlichkeit und Frechheit der Bettler […] überstieg alle Grenzen und wurde nur übertroffen von der Verworfenheit der Menschen“? „Auch ich habe mich dabei ertappt“, verrät Decker, „dass ich zuerst gucken gegangen bin, was denn auf der negativen Seite steht. Es macht etwas mit einem, diese Wahlfreiheit zu haben.“ Die Klimax bilden stets die drei Meisterwerke auf der Stirnseite. „Hier kann man das, was man zuvor gelesen, erlebt hat, noch einmal anders auch mit der Biografie in Zusammenhang bringen kann. Aber es fehlen die Bildunterschriften, dafür muss man zu einer Führung gehen“, sagt die Kuratorin lachend.

Atem schöpfen im neutralen Raum
Wer Erholung braucht, findet diese im „neutralen Raum“, wie ihn Stephanie Becker nennt. Dazu gehört erstmals in einer Jülicher Ausstellung auch ein „Hörkasten“. Kollege Christoph Fischer, der als Privatmann dem Schauspiel zugeneigt ist, hat 10 Briefstellen eingesprochen, die Alltagsbeobachtungen, künstlerische Gedanken und Gefühle aufgreifen. In einer Vitrine wird das „touristische Angebot“ aus den Jahren Mitte des 19. Jahrhunderts präsentiert. „Wir sehen Fresken, wir sehen das letzte Abendmahl, um uns nochmal so ein bisschen in Erinnerung rufen zu können, was damals schon zur Kulturgeschichte von Italien dazugehörte, was man touristisch entdecken konnte.“ Als Besonderheit sind Aquarelle, aus der Hand fein gezeichnet, ausgestellt. „Das ist wirklich ganz hervorragend,“ schwärmt Decker.

Titelmotiv der Ausstellung. Foto: tee

Begleitend zu dem polarisierenden Ausstellungskonzept ist ein ungewöhnliches Veranstaltungsprogramm entstanden. Neben dem Führungsangebot, das als besonderes Schmankerl die Mittagspause im Museum beinhaltet, gibt es von Yoga bis Trommelreise Angebote zur „Entspannung im Museum“, aber auch „Genuss im Museum“ und ein Kreativangebot, wie der Flyer verrät, der im Museum ausliegt.

Aber auch zwei kritische Fragen werden aufgeworfen, die sich am Ausstellungsplakat entspinnen, das auch Teil der genannten Tischvitrine ist. „Das Titelmotiv ist Anlass zu zwei kritischen Themen, die wir als gesellschaftsrelevant für diese Ausstellung betrachtet haben“, sagt Stephanie Decker. Zu sehen ist eine Frau, die einen Krug auf dem Kopf trägt. Daran entspinnt sich die Frage nach den Frauenrollen gestern und heute, die mit der Jülicher Gleichstellungsbeauftragten Jessica Fischer am 9. Juli im Pulvermagazin ab 19 Uhr erörtert werden soll. Zweites Brennpunktthema ist: „Chauvinismus oder Rassismus?“ Über das Sehen und Deuten des Fremden steht am 31. Juli ebenfalls um 19 Uhr im Pulvermagazin zur Debatte.

Im wahrsten Sinne eine spannende Ausstellung, die zum internationalen Museumstag am Sonntag, 18. Mai, um 11 Uhr eröffnet wird. Aber bekanntermaßen kann Spannung ja – künstlerisch wie aus Erkenntnissicht – elektrisierend sein.

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Artium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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