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Elisabeth Vietzke wird 80 Jahre alt

Sie wird sich heute ihr Ständchen selbst singen: Elisabeth Vietzke stimmt an ihrem 80. Geburtstag in der Christuskirche mit der Kantorei in der Karfreitagsmesse.

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Elisabeth Vietzke. Foto: Dorothée Schenk
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„Ich bin für Sie ein Gesicht für Jülich?“ Elisabeth Vietzke zeigte sich bescheiden und hoch erstaunt über das Interesse an ihrer Person. Dabei ist die gebürtige Nürnbergerin und Wahl-Jülicherin nun wahrlich eine Person des öffentlichen Lebens der Stadt. „Man ist nicht auf der Welt, um für sich alleine da zu sein, man muss auch etwas bewegen“, gibt sie ihre Lebensmaxime preis. Das ist der Jubilarin gelungen, die heute auf ganz besondere ihren 80. Geburtstag feiert. An diesem Karfreitag singt Elisabeth Vietzke mit der Jülicher Kantorei unter dem Dirigat von Soline Guillon in der Christuskirche unter anderem vierstimmige Kirchenlieder und Stücke aus der Johannespassion und Matthäuspassion. „Wir haben so lange geübt – das lasse ich mir nicht nehmen“, sagt sie. Zuhause fühlt sie sich in der evangelischen Kirche, für die sie fünf Jahre das Amt der Presbyterin bekleidete und nur wegen des Erreichens der Altersgrenze nicht erneut kandidieren konnte.

Wahr ist, dass sie nicht die Öffentlichkeit sucht – außer sie streitet für die Sache: Für „ihre“ Stadtbücherei beispielsweise, wenn es wie zuletzt 2018 um Kürzung im städtischen Haushalt geht, gegen die es zu protestieren gilt. Für die Bibliothek setzte sie sich seit Gründung des Fördervereins vor 40 Jahren und seit 20 Jahren als dessen Vorsitzende ein. „Wir haben gekämpft, damit die Stadtbücherei aus dem Keller in der Kapuzinerstraße kam. Da bin ich richtig stolz drauf“, sagt Elisabeth Vietzke und erinnert sich lachend: „Als wir den Förderverein gründen wollten, ist plötzlich das Licht ausgegangen. Da haben wir uns gefragt, was das für ein Omen ist!“ Inzwischen ist die Bücherei schon lange im Kulturhaus beheimatet. Eine Einrichtung, für die auch Elisabeth Vietzke sich mit eingesetzt hat. Das allerdings auf politischer Ebene.

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Insgesamt 17 Jahre – mit dreijähriger Unterbrechung – war sie Ratsfrau für die SPD. Bis heute hält sie ihr Parteibuch und laut gut informierter Kreise auch das Archiv der Jülicher SPD, für die sie zum 100-jährigen die Geschichte „zusammentrug“ und referierte. Noch genau weiß Elisabeth Vietzke, wie sie sich durch Willy Brandts Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit“, durch den Ausspruch „Mehr Demokratie wagen“ und dem, dass mehr Frauen in die Politik gehen sollten, angesprochen gefühlt hatte und so „zur Partei“ kam. Dazu fällt ihr auch eine kleine Anekdote von der ersten Kandidatur für einen Ratssitz 1979 ein. Lachend erzählt sie: „Ich stellte mich an den Haustüren meines künftigen Wahlkreises den Bewohnern vor. Die Reaktion einer Jülicherin: ,Ich muss Ihnen sagen, Sie haben in Jülich keine Chance: Sie sind nicht aus Jülich, Sie sind evangelisch, Sie kandidieren für die SPD und Sie sind eine Frau‘.“ Weit gefehlt: Die zugezogene Protestantin zog in den Rat ein und besetzte – als studierte Geschichts- und Deutschlehrerin – vor allem gerne die Themen „Kultur und Schule“. „Später war ich auch im Hauptausschuss. Das war interessant, weil man alles noch mal durchdiskutieren konnte, ehe es in die Ratssitzung ging.“

Zielgerichtet und nicht so leicht aufzuhalten, das scheinen Wesensmerkmale von Elisabeth Vietzke zu sein. Als sie im Studium feststellte, dass an der Universität Bonn das Philosophikum schriftlich, in Freiburg aber mündlich zu absolvieren war, ging sie mit einer Gruppe Gleichgesinnter nach Freiburg. Eine wichtige Lebensentscheidung, denn dort traf sie ihren zukünftigen Ehemann und Vater ihrer drei Kinder, Egon Vietzke, mit dem sie zuerst nach Kanada und 1971 nach Jülich zog. Der promovierte Wissenschaftler hatte eine Stelle am Forschungszentrum Jülich, der damaligen „KFA“, bekommen. „Ich wusste überhaupt nicht, wo Jülich ist. Weil ich ja Geschichte studiert habe, hatte ich nur schon mal was vom Jülich-Klevischen Erbfolgekrieg gehört.“

Noch vor Studien-Ende hatte das Paar geheiratet und Elisabeth Vietzke bestand das Abschlussexamen im neunten Schwangerschaftsmonat. Und auch das Referendariat absolvierte Elisabeth Vietzke als junge Mutter: „Ich hatte eine verkürzte Referendarzeit, weil man so viele Lehrer brauchte.“ Dass das nicht so bleiben sollte, lernte die Pädagogin im Laufe ihres Berufslebens, in dem sie fast Lehrerin am Gymnasium Zitadelle geworden wäre, fast Lehrerin an einer Realschule in Düren, eine Stippvisite an der Linnicher Polizeischule innehatte und letztlich ihre berufliche Heimat am Euregio-Kolleg in Würselen fand. Diesem ist sie heute noch verbunden, nämlich durch einen kleinen Leseclub, den sie mit ehemaligen Kollegen aus Würselen pflegt – neben einem zweiten „Literaturkreis“ mit biblischen zwölf Beteiligten. Manchmal schafft die 80-jährige die „Hausaufgaben“ nicht. „Ich gebe zu, dass ich vor lauter Zeitunglesen, anderes Lesen und Tun, zuweilen nicht rechtzeitig zum Lesen komme“. Manchmal dauert es bis zum letzten Tag, ehe sie die Lektüre zur Hand nimmt. Sie grinst schelmisch: „Darum weiß ich immer noch am meisten von den Details“.

Was sie sonst noch gerne tut? „Ich war schon immer für große Feste – ich weiß auch nicht warum“, sagt Elisabeth Vietzke aufgeräumt und verrät, dass sie zu ihrem 80. Geburtstag 80 Gäste eingeladen hat – die Familien ihrer drei Kinder inklusive neun Enkel, wovon das jüngste acht Monate alt ist, weitere Verwandtschaft und Freunde. Nicht alle werden gesundheitsbedingt kommen können, was Elisabeth Vietzke bedenklich stimmt und in ihrem Entschluss bestärkt: „Ich musste noch mal ein großes Fest machen – für mich selbst und auch die Freunde.“


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