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Von guten Sitten und Denken im Kollektiv

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Führen durch Persönlichkeit: Marie Massmann. Foto: André von der Gracht
Führen durch Persönlichkeit: Marie Massmann. Foto: André von der Gracht
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Sie trägt Pferdeschwanz. Wie sollte es anders sein. Marie Massmann lebt ihre Leidenschaft. Während ihr Schimmel Alvaro entspannt aber aufmerksam am langen Strick in der Reithalle steht und auf seinen Einsatz wartet, erzählt die Pferdeexpertin, wie sie mit Beharrlichkeit und Ausdauer ihren Hof aufgebaut hat. Selten zufrieden, immer auf der Suche nach Antworten auf drängende Fragen „die, die Pferde mir gestellt haben“. Dafür ist sie weit gereist und hat bei internationalen Fachleuten im benachbarten europäischem Ausland und Übersee Rat und Ausbildung gefunden. Inzwischen ist der „Reitgarten“ am Ende der Bahnhofstraße eine Oase für Ross und Reiter geworden, eine Anlaufstelle für Pferdenarren von fern. In Jülich ist er überraschender Weise eher ein Geheimtipp.

Das mag an der sehr besonderen Art liegen, mit der Marie Massmann ihre Profession betreibt: „Reiten ist eine Naturwissenschaft und da ist ganz viel Mathematik mit dabei“ sagt die 52-jährige. Sie spricht von Mikro- und Makroorganisation am Pferd, vom Fokussieren, vom Räume belegen und Räume freigeben, von der Beeinflussung der Energie des Pferdes und von den „guten Sitten“, die der Mensch oft in Gegenwart der Pferde vergisst.

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Wer die beherrscht, der ist Einer, der standhaft bleibt, der gradlinig ist, der weiß, dass er dem Fluchttier Pferd nicht den Rundumblick verstellen darf. „Natural Classic“ nennt sich die Umgangsweise, die Marie Massmann entwickelt, didaktisch aufbereitet und zu einem logisch aufeinander aufbauenden Ausbildungssystem ausgearbeitet hat. „Das ist kein Hexenwerk“, sagt sie, „das Grundsätzliche kann jeder innerhalb von 15 Minuten lernen“. Und tatsächlich ist so, wie die Massmann es beschreibt, natürlich, einfach und nachvollziehbar. Es geht um das Verständnis für die Pferde aus dem Blickwinkel des Tiers: Wie bewegt es sich, wie denkt es und wie empfindet es Freund und Feind. Wenn ein Fremder etwa in den Raum des Pferdes ungefragt eindringt und sich dann auch noch vors Auge stellt, weiß das Pferd sofort: „Dem kann ich nicht folgen.

Wenn er die Regeln nicht kennt, kann ich ihm nicht vertrauen.

Das macht am Anfang schon die halbe Miete aus“, erklärt die ausgebildete Reitlehrerin.

Ein Beispiel: Die größte Gefahr für das Pferd ist eine Verletzung, denn sie hindert das Tier an der Flucht. Darum greifen Raubtiere immer die Flanke an. Bewegt sich also ein Mensch seitwärts auf ein Pferd zu, weicht es naturgemäß zurück. „Was muss das Pferd lernen und welche Mechanismen stecken im Pferd, die ich nutzen kann?“, das seien die Fragen, die geklärt werden müssten, sagt die Fachfrau. Angst und Konditionierung seien dagegen ein schlechter Ratgeber. Auch dazu hat sie ein Beispiel parat: In der Pferdewelt verjagt der Ranghöhere nicht den Rangniedrigeren, wenn er ans Heu will, sondern er signalisiert: „Ich will das Heu!“- Das ist eine andere Wahrnehmung der Situation, die sich nicht gegen das Tier, sondern auf das Fressen konzentriert. „Das ist nichts, was das Pferd lernen muss.“

Ein Drittes: Der Mensch muss das Pferd als Herdentier verstehen. Darum denke das Pferd immer „im Kollektiv“. „Ein Pferde, das nicht versteht, was die Herde will, ist ein totes Pferd. In der freien Wildbahn hat ein einzelnes Pferd keine Chance“, bringt es Marie Massmann auf den Punkt und schließt gleich den Vergleich zu den Zweibeinern an, denn wenn der Mensch klein oder alt ist, sei dieses Empfinden selbstverständlich, „in der Lebensmitte vergessen wir schnell, dass wir abhängig sind von der Gemeinschaft.“ Die Herde bedeutet Schutz – ebenso das Leittier, dem es vertraut. Und schon sind wir beim Menschen:

„Der Mensch muss ausstrahlen, dass er eine Führungspersönlichkeit ist.

Das Pferd interpretiert sofort: Wie steht der Mensch, wie ist die Muskelanspannung, wie atmet er.“ Das Fazit daraus: Eigentlich ist es der Mensch, der in die Reitschule geht? „Es ist immer so, dass Du nachher an den Handlungsprinzipien der Menschen arbeitest. Das hat Auswirkungen auf das gesamte Leben. Aber dazu müssen die Leute sich erst öffnen. Das braucht einen Prozess.“ Am Anfang steht die Erkenntnis: „Das Pferd ist gut so wie es ist – ich muss an mir arbeiten.“

Im wahrsten Sinne mit und an den Pferden gewachsen ist Marie Massmann. Ein kleines Hengstfohlen, dass sie sich im zarten Alter von 14 Jahren kaufte, sollte der erste wirkliche Fragensteller im Leben der Suchenden sein. Schon nach einer Woche hatte der Tierpfleger gemeint „Dat is enne Filou“ – was übersetzt Schlitzohr oder Gauner heißt – und damit sofort das Ungerechtigkeitszentrum der Jugendlichen getroffen: Was hatte das kleine Fohlen verbrochen, um so abgestempelt zu werden? „Das hat mich unter anderem angetrieben“. Beim Namen des Ponys blieb es aber und der kleine Hengst wuchs, gedieh und war Marie Massmanns Lebensbegleiter bis zu seinem Tod. Dazwischen liegen eine Ausbildung zur Sozialpädagogin, zur Trainerin A nach FN Richtlinien, zur Reittherapeutin, die Vereinsgründung „Hippophilos“, die Entwicklung der Marke „Natural Classics“ und ein Buch, dass die Jülicherin geschrieben hat. Eine „Kleine Reitschule“. „Es ist das Resultat aus meiner langjährigen Lehrtätigkeit und soll Ihnen, liebe Eltern, Großeltern und Tanten, sowie Onkel Pferdebegeisterter Kinder und Euch , Kinder befähigen, Reitunterricht fair und kompetent beurteilen zu können: Woran erkennen Sie eine gute Reitschule? So finden Sie die richtige Reitschule. Welche Bedürfnisse hat das Herdentier Pferd?“, erklärt die Autorin.

Zum „Festival der Pferde“ lädt Marie Massmann auf ihren Hof am 26. Mai und fordert ihre Gäste auf: „Lauschen Sie dem Flüstern der Pferde“. Das Thema: Traum und Wirklichkeit. Den Grund verrät Marie Massmann: „Es werden viele Träume verkauft. Wichtig ist ja, dass man den Traum, für den man Geld bezahlt, auch in die Realität umsetzen kann.“

http://www.naturalclassic.de/Festival-der-Pferde-2018


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