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Gutachten folgen Gesetzen, nicht Gefühlen

Die ersten drei Tagesordnungspunkte des jüngsten Ausschusses für Planung, Umwelt und Bauen beschäftigten sich mit den Planungsänderungen und deren Offenlegung. Im Fachjargon heißt das „Beteiligungsverfahren“. Grundsätzlich ist die Zustimmung des Ausschusses zu diesem Verfahren eine Formalie. Eine Grundsatz-Diskussion zwischen den politischen Vertretern erfolgt erst, wenn die Verwaltung aus den Einwänden, die sich in den vier Wochen öffentlicher Auslegung aus der Bevölkerung ergeben haben, eine Beschlussvorlage für den Ausschuss erstellt hat. Soweit die Normalität.

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In der jüngsten Sitzung ging es um das Bauprojekt „Eichhorn“, das seit anderthalb Jahren die Gemüter in Kirchberg erhitzt und die Ausschüsse beschäftigt. Entsprechend gut gefüllt waren die Besucherreihen, Gutachter und Vertreter des Unternehmens waren außerdem anwesend. Einhellig wurde beschieden, auch Wortmeldungen der Gäste zuzulassen. Die Stimmung im großen Ratssaal knisterte spürbar.

Den Vorlagen zur Sitzung waren auch die 13 Gutachten zum Bauprojekt beigefügt etwa zu den Themen Archäologie, Umwelt- und Artenschutz, zur Geräusch-Emissionskontigentierung und Verkehrsbewegungen. Kritik kam von Jürgen Laufs (Grüne). Er monierte das Fehlen zweier Gutachten, die von der CDU zu einer Alternativplanung und zur Sozioökomie gefordert worden war. Gleiches hatte die Bürgerinitiative Zukunft Kirchberg (BI) in einer vor der Sitzung veröffentlichten Pressemitteilung ebenfalls bemängelt.

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Widerspruch und Aufklärung gab es hierzu von Dr. Christner als Vertreter des Unternehmens. In den Gutachten habe sich ergeben, dass die Höhe keinen Einfluss auf die anderen Parameter habe, unabhängig ob das Bauwerk 20, 28 oder 30 Meter hoch werde. Daher gebe es kein eigenes Gutachten hierzu. Ironisches Lachen erntete er dazu von den Besucherrängen.

Die Bedeutung der Bauleitplanung und seine Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Belange seien ebenfalls in den Gutachten aufgegangen. Zustimmung für diese Haltung gab es von der CDU-SPD-Koalition. Erich Gussen bestätigte für die CDU, dass die offenen Fragen für seine Fraktion ausreichend geklärt seien. Martina Gruben (SPD) hätte sich allerdings noch etwas mehr Zeit gewünscht, um bei den Gutachten „in die Tiefe zu gehen.“

Im Verlauf der Sitzung unterstrich der Eichhorn-Vertreter, dass Umplanungen vorgenommen worden wären, die mehr Abstand zu dem besonders schützenswerten FFH-Gebietes (Flora-Fauna-Habitat) vorsehen, von einer Versiegelung der Flächen absieht, vielmehr Versickerungsflächen auf dem eigenen Gelände entstünden, und mit den Niederschlägen eine Weichholzaue bewässert werden sollen soll. „Die Ableitung in die Rur ist vom Tisch“, betonte Dr. Christner.

Einigermaßen verständnislos reagierte Dr. Christner auf die Haltung der BI. Deren Forderungen zur Verbesserung des Ortseinganges sei Rechnung getragen worden, der bemängelte Schandfleck alte Papierfabrik sei beseitigt und das Gewässer renaturiert. „Dafür hat das Unternehmen viel Geld in die Hand genommen“, betonte er. Man müsse das Gesamtkonzept sehen und nicht nur die einzelnen Gutachten betrachten. Diese Äußerung bezog sich auch auf den zweiten Einwand von Jürgen Laufs, dass die mündliche Erläuterung klärend sei, aber es wohl „ein Leichtes gewesen wäre, die Punkte zu sammeln“ und schriftlich einzureichen. „Das macht es der Politik leichter, schneller zu arbeiten“, setzte Laufs eine Spitze in Richtung Hellmut Eichhorn, der nach Aussage des Grünen-Fraktionenchefs eine entsprechende Äußerung getätigt haben soll.

Erläuterungen wurden auch vom Gutachter Hartmut Fehr eingefordert. Die meisten Ausgleichsflächen, nach denen Jürgen Laufs in seiner dritten Wortmeldung gefragt hatte, würden in Jülich geschaffen. Lediglich für die Restfläche würde nach Rücksprache mit der Unteren Landschaftsbehörde in Hürtgenwald gesorgt. Das sei rechtens, wenn auch nicht gewollt. Nach seiner Aussage würden sogar höhere Werte zum Schallschutz zugrunde gelegt, was noch einmal mit leisem Gelächter der BI-Vertreter beantwortet wurde. Die Umfahrung des Hochregallagers, beantwortete Fehr eine Nachfrage aus dem Auditorium, würde nach dem Gutachten nicht nur die vorgesehenen vier bis fünf, sondern künftig 14 Meter Abstand zum FFH-Gebiet betragen. „Gutachten können sich nur an Recht und Gesetz halten und nicht an Gefühle“, sagte er. Das werde nicht immer als gerecht empfunden.

Kritisiert wurde in einer Wortmeldung aus dem Zuschauerraum, dass die Belange der Kirchberger nicht ernst genommen würden und das Gefühl bliebe, dass wichtige Punkte ausgeklammert würden. „Sie suchen keine Lösungen“, war der Vorwurf in Richtung „Eichhorn“. Der Wunsch der BI, eine Untertunnelung zu erwägen, ist nach dem Gutachten für das Unternehmen Eichhorn aus Kostengründen vom Tisch. Dem widersprachen Vertreter der BI, die in der Sitzung eine technische Möglichkeit vortrugen und in der Bemerkung gipfelte: „Bei einer Investition von 50 Millionen Euro ist diese Alternative eine geringfügige Summe.“ Hierfür gab es Szenenapplaus, den Ausschussvorsitzender Christian Klems rügte, aber ansonsten eine gelungene und konstruktive Diskussionsrunde lobte. Für die große Kompetenz dankte er den Firmenvertretern und dem Gutachter – zum hörbaren Unmut der BI-Vertreter.

Bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung stimmte der Ausschuss für Planung, Umwelt und Bauen in der jüngsten Sitzung mehrheitlich für die öffentliche Auslegung der Planungsänderungen, die für die Unternehmens-Erweiterung der Carl Eichhorn GmbH in Kirchberg notwendig sind. Hörbar frustriert zeigten sich die Vertreter der Bürgerinitiative Zukunft Kirchberg, die nach der Abstimmung den Ratssaal verließen.

Aus den Reihen der BI war nach der Entscheidung des Ausschusses zu hören, dass man nun die Möglichkeiten des Einspruches nutzen möchte, etwa um Mängel in den Gutachten darzulegen. Zudem wolle man weitere Informationen zum Bau eines Hochregallagers in Baesweiler einholen, bei dem eine maximale Höhe von 20 Metern zu gelassen wurde.

Einsehen können alle Interessierten die Unterlagen bei der Verwaltung – ohne Schwärzungen, wie Dr. Christner unterstrich. Danach hatte in seiner vierten Wortmeldung Jürgen Laufs gefragt. Dr. Christner erklärte, dass diese Unkenntlichmachung Betriebsgeheimnissen geschuldet sei.


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