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„Ihr seid sehr gut vorbereitet“

Spannender und vor allem informativer als jeder Polit-Talk im Fernsehen war die Begegnung zwischen der Europaabgeordnete Sabine Verheyen und Schülerinnen und Schülern des Gymnasium Zitadelle Jülich: Die Jugendlichen stellten ihr aktuelle politische Fragen, die ihnen unter den Nägeln brannten. Und die reichten von Klima-Klebern über Rechtsradikalisierung bis hin zur Vermögenssteuer und Tempolimit.

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Foto: Sonja Neukirchen
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Gut vorbereitete Schüler der Zitadelle trafen auf die sehr offene und kommunikative Europa-Politikerin Sabine Verheyen, die versuchte, die Europäische Union und ihre Arbeit als Parlaments-Abgeordnete im PZ des Gymnasiums greifbar zu machen. Nachdem die Schüler der Jahrgansstufe neun und die beiden Grundkurse Sozialwissenschaften der Jahrgangsstufe Einführungsphase (EF) in verschiedenen Präsentationen ihr Wissen und ihre Vorstellungen über die Europäische Union in Präsentationen vorgestellt hatten, bekamen sie von Verheyen ergänzende Einblicke in die Praxis.

Hatten sich die Schüler den Alltag eines EU-Abgeordneten zunächst als acht bis zehn Stunden-Tag vorgestellt, so ergab bereits ihr eigener Realitäts-Check, dass es eher ein 13 Stunden Tag ist. Sie erfuhren von Verheyen schließlich, dass sich durch die neuen Möglichkeiten nach der Corona-Pandemie, sich von überall „online“ zuschalten zu können zu jedem Meeting auf der Welt, sich diese Arbeitszeit eher nochmal nach oben verschoben habe. „Ich habe früher mal ein Pferd gehabt. Als ich ins EU-Parlament kam, ist der auf die Weide gekommen“, erläutert Verheyen das ganz plastisch. Sie war früher auch einmal Bürgermeisterin von Aachen gewesen und hatte dort, in ihrer Heimatstadt, Architektur studiert.

Abgeordnete im Europaparlament: Sabine Verheyen. Foto: Sonja Neukirchen
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War das Wissen der Schüler über die Europäischen Organe und die Entstehungsgeschichte der EU, das sie im Rahmen einer Unterrichtsreihe erarbeitet hatten, noch relativ unstrittig und konkret, so offenbarte eine Umfrage der Schüler in der Klasse 9c: Beim Thema „kulturelle Vielfalt“ und deren Bedeutung für die Europäischen Union klaffte doch eine Informations-Lücke über den tatsächlichen Stellenwert dieses Themas. Und gerade den kennt Europapolitikerin Verheyen besonders gut, denn sie ist seit 2019 Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung und hat damit ein ganz besonderes „Steckenpferd“: „Kulturelle Vielfalt hat eine sehr hohe Bedeutung. Der Erhalt ist sehr wichtig und ich möchte mit Euch darüber ins Gespräch kommen“, sagte sie. „Wir geben als EU auch jede Menge Geld aus, um kulturelle Vielfalt zu erhalten.“ Gleich bekamen die Schüler auch ein Beispiel, weshalb dieses Wissen über andere Kulturen auch im politischen Alltag von so hoher Bedeutung sei: Man habe im Parlament eine knappe Redezeit von wenigen Minuten. Ein italienischer Kollege habe sich – ganz nach der Gepflogenheit dieses südlichen Landes – erstmal weitschweifig selber vorgestellt und dann aus Zeitmangel nichts Inhaltliches mehr sagen können. Auch mit einem polnischen Minister sei es mal zu einer eisigen Stimmung gekommen, bis sie ein Randgespräch mit ihm geführt habe, über die kulturell geprägten Missverständnisse im Umgang miteinander. Dann sei plötzlich das Eis gebrochen gewesen. „Es geht um einen umfassenden Kulturbegriff, nicht nur um Musik und Kunst“, erklärt sie dieses auf für das Verständnis der Länder untereinander so wichtige Thema. Dirk Neumann, Lehrer und Koordinator für Austauschfahrten am Gymnasium Zitadelle, freute sich über die Ankündigung von Verheyen, mit einer Kiste an Material nochmal zusätzliche Informationen zu liefern über solche kulturellen Austauschmöglichkeiten. Diese werden an der Schule durch das Erasmus-Programm bereits gut genutzt. Die Frage nach der europäischen Identität müsse greifbar werden, so Neumann.

Foto: Sonja Neukirchen

Bei den Fragen der Schülerinnen und Schüler an die Europapolitikerin ging es dann um ganz konkrete Politikfelder. Auf die Frage, was Verheyen von den Klimaklebern halte, antwortete sie: „Ich halte das nicht für zielführend für das Ziel, das diese Leute haben. Wenn ich Ziele erreichen möchte, dann muss ich die Menschen mitnehmen“, findet sie. Auch die zunehmende rechtsextreme Ausrichtung einzelner EU-Mitgliedsstaaten kamen zur Sprache: „Es ist eine latente Gefahr, vor allem wenn sich solche Regierungen am Anfang sehr moderat geben“, so die EU-Politikerin. Der Rechtextremismus sei deshalb gefährlicher als der Linksextremismus, weil er schneller auf fruchtbaren Boden in der Bevölkerung falle. Und auch die sozialen Medien spielten bei der Verbreitung entsprechender Parolen eine große Rolle.

Ach weitere Fragen – zur Vermögenssteuer, zur Zukunft vom Verbrennungsmotor oder auch zur Cannabis-Legalisierung – machten schnell klar, dass sich die anwesenden Schüler bereits über die praktische Bedeutung der Europäischen Union für ihren eigenen Alltag bewusst geworden sind. Sie hatten offenbar verstanden, was Lehrer Stephan Ballatré eingangs nochmal betonte: Die Europäische Union sei nicht nur Symbolik, sondern habe ganz praktische Auswirkungen auf den Alltag der Menschen in ihren Mitgliedsstaaten. Gemeinsam mit Silvia Becher und Sigrid Albers hatte Ballatré mit den anwesenden Klassen die Unterrichtsreihe „Europäische Union“ gestaltet. Das Fazit von Verheyen: „Ihr seid super gut vorbereitet“, lobte sie die Schüler und nahm als Präsent das Bild eines künstlerisch sehr begabten Zitadellen Schülers aus der Q1 mit nach Hause, das die verschiedenen Facetten von Jülich in einer Art „Wimmelbild“ zeigte.

2024 steht die nächste Europawahl ins Hause. Es wird die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament. Sie findet voraussichtlich vom 6. bis 9. Juni 2024 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union statt. Bei der Europawahl werden voraussichtlich 705 Abgeordnete gewählt.


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