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Hoch hinaus und in die Tiefe

Nicht nur davon hören, sich selbst vom neuen Schwanen-Quartier ein Bild machen konnten die Interessierten, die in der Kulturmuschel im Brückenkopf-Park die Bürgerversammlung der Investorengesellschaft besuchten. Noch bis 12. Januar läuft das Offenlegungsverfahren, in dem Bedenken und Anregungen zum Projekt geäußert werden können. „Ihr dürft schimpfen“, sagte Projektleiter Andreas Tischler“, „aber wir werden immer schöner.“ Frei übersetzt: Kritik spornt an und kann durchaus auch positiv für die Projektentwicklung sein.

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Hoch hinaus und in die Tiefe gehen wird das geplante Schwanen-Quartier an der Bahnhofstraße. Knapp 10.000 Quadratmeter groß ist das Areal, das überplant worden ist. Bis auf den bestehenden „Turm“ der Sparkasse werden alle Bestandsgebäude abgerissen. Einerseits weil sie nicht mehr den aktuellen Ansprüchen – Stichwort Energie – entsprechen, andererseits weil sie Platz für das Hotel im Sektor Vier-Sterne-plus machen müssen, das neben 135 Zimmern auch Tagungsmöglichkeiten bietet, einen Vollversorger mit Bäcker und Blumenshop, eine Tiefgarage mit 175 Plätzen sowie eine Seniorenresidenz mit Pflegestufen. 80 Plätze sind vorgesehen. Die ersten Verträge, so war zu hören, sind geschlossen – nicht alle Vertragspartner könnten genannt werden. Die Notartermine standen noch aus. Klar ist, dass Honestis der Investor ist. Das Unternehmen gehört zur Dorint-Gruppe, die das Hotel betreiben wird. Mietverträge mit dem Vollversorger sind geschlossen, mit dem Seniorenbetreiber „fast abgeschlossen“.

Wenn alles nach dem aufgestellten Zeitplan laufen würde, nennt Tischler als Projektleiter den gewünschten Eröffnungstermin zu Weihnachten 2026. „Ich mach da mal wegen der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung ein Fragezeichen hinter.“ Wahrscheinlich im 2. Quartal 2024 werde der Satzungsbeschluss erfolgen. Zeitnah soll der Bauantrag gestellt werden. Der Baubeginn nach Baugenehmigung wäre im günstigsten Fall Ende 2024, wahrscheinlich 2025.

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https://www.youtube.com/watch?v=qhJMuFKiV-s&feature=youtu.be

Die präsentablen Räume des Hotels wie Lounge und Lobby sind zum Schwanenteich ausgerichtet. Im ersten Geschoss dominiert eine verglaste Fassade, hinter der sich die Tagungsräume befinden. Eine große Terrasse, die Seniorenresidenz und Hotel verbindet, bietet ebenfalls den Blick auf den Schwanenteich. Kritik, die nach der ersten Vorstellung Anfang letzten Jahres laut geworden war, hätte man ernst genommen, sagte Projektleiter Andreas Tischler. So ist die Firsthöhe der an das Hotel angrenzenden Gebäude an der Großen Rurstraße berücksichtigt worden. Die Nachbarschaft blickt im 1. Obergeschoss auf begrünte Dächer, und die Seniorenresidenz ist um ein Stockwerk reduziert und die Rückseite sei „abgetreppt“ worden, „um den Gebäuden die Monumentalität zu nehmen“, wie Architekt Joachim Troyke erläuterte. Der „Turm“ wird wie bisher Büroflächen bieten und bekommt eine begrünte Fassade. Einige Bäume werden fallen, Ersatzpflanzungen jetzt schon fest vorgesehen, auch in der Anfahrt zum Hotel, für die drei Parkbuchten geschaffen werden sollen. Verkehr, der in die Tiefgarage fließt, und die Anlieferungen für die Seniorenresidenz und den Vollversorger sollen über den Kreisverkehr von der Bahnhofstraße / Ecke Dr.-Weyer-Straße aus in einer Einbahnstraßenregelung erfolgen und über eine „Ausfahrt“ über die Bahnhofstraße abfließen.

Eine hohe Messlatte bezüglich der Baustandards hat sich die Schwanen Quartier GmbH gelegt: Platin soll erreicht werden. Nachhaltige Baumaterialien sind selbstverständlich. Es geht um Energieeffizienz und auch Energiegewinnung. So soll der große Energiebedarf unter anderem durch Photovoltaik gedeckt werden. PV-Folien sollen die gesamte Fassade bedecken. In Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum soll das Konzept für die Technologie erarbeitet werden – Stichwort: Energiespeicherung, Nachtspeicher. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Jülicher Unternehmen MeteoViva und deren Kompetenz der wettergestützten Daten wurde angesprochen. Dachbegrünungen sorgen für Kühlung. Eine bauliche Marke soll gesetzt werden, so ist Tischler zu verstehen. „Wir werden Fehler machen“, räumt er ein, aber aus diesen Fehlern sollen andere Bauherrn lernen können. „Wir werden unser Gebäude zur Verfügung stellen, damit es Nachahmer bekommt.“

Foto: tee

Mit geballter Sachkompetenz war die „Schwanen-Quartier GmbH“ angetreten: Allen voran Projektleiter Andreas Tischler, der verantwortlich für das Gesamtverfahren ist, über den Architekten Joachim Troyke, Georg Spellerberg, der für TÜV Nord das Schallschutzgutachten begleitete, Rainer Schmidt-Illguth von der BBE Handelsberatung, der bereits vor zehn Jahren ein Einzelhandelsgutachten für die Stadt Jülich erstellt hat, bis zu Michael Ginster, der mit seinem Meckenheimer Planungsbüro das Umweltgutachten verantwortet. Das Ziel war klar gesetzt: Die Anwesenden sollten nicht nur mitgenommen, sondern überzeugt werden.

Bei allen Diminutiven und optischen Anpassungen, um dem Bau die Massivität zu nehmen, ist unverrückbar: Der Bau wird groß. 20 Meter hoch und damit zwei Geschosse über der bisherigen Bebauung entlang der Großen Rurstraße. Klar machte Projektleiter Tischler aber auch: Um eine Wirtschaftlichkeit des Projektes zu ermöglichen, ist eine weitere Reduzierung – um Stockwerke oder Kubatur – nicht möglich. Lediglich „zu Lasten des Hotels“ bestehe noch Spielraum. Dann aber könne der geplante Standard nicht gehalten werden.

Leidenschaftlich waren die Nachfragen nach Verkehrsführung und Verkehrsaufkommen, zur Sicherheit von Menschen auf dem Fahrrad und zu Fuß, Beeinträchtigung der benachbarten Wohnhäuser, städteplanerische Bedenken und ob ein Komplex dieser Größe für Jülich überhaupt sinnvoll sei – dabei wurde sowohl das Hotel wie auch die Senioreneinrichtung angesprochen. Unterschiedliche Meinungen gab es, ob das Projekt zu Jülich passe, ob ein Massenmodell bei der Visualisierung helfen würde. Hier sprang der Förderverein Zitadelle ein, dessen Mitglied Christian Meixner ein solches zur Anschauung zur Verfügung stellte. Vorsitzender Rüdiger Urban bot an, das Modell flankierend zur Offenlegung im Rathaus aufzustellen. Urban zitierte ebenfalls aus einem Schreiben von Prof. Christa Reicher von der RWTH, die zum Projekt schrieb, dass zur Nachhaltigkeit auch Ästhetik gehöre. Bürgermeister Axel Fuchs erwiderte, dass er sich gewünscht hätte, dass sie vor ihrem Schreiben sich einmal mit der Projektleitung in Verbindung gesetzt hätte.

Modell von Christian Meixner. Foto: privat

Ebenso leidenschaftlich, wenngleich von Sachlichkeit geprägt waren die Antworten. Klar gemacht wurde, dass sich kein Investor mehr an einen Hotelbau alleine herantrauen würde. „Die Mehrwertsteuer-Erhöhung geht zu Lasten der Hotels“, erläuterte Tischler. Darum brauche ein Hotel „Motoren“ wie den Vollsortimentler und die Seniorenresidenz. Für die Planung des Hotels wurde zugrunde gelegt, dass ein Drittel der Betten stetig durch Gäste aus dem Technologiezentrum und Forschungszentrum garantiert sei. Das hätten Vorab-Gespräche ergeben. Diese Übernachtungsgäste werden derzeit nach Köln, Bonn, Aachen und Düren in die entsprechenden Hotels gefahren. Neben dem Effekt, dass „das Geld in der Stadt bleibt“, hatte in einer Ratssitzung Heinz Frey (UWG JÜL) auch als positiven Nebeneffekt die CO2-Einsparung benannt.

Bezüglich des Seniorenheims unterstrich Bürgermeister Axel Fuchs, dass schon jetzt nach dem jüngsten Pflegebedarfsplan des Kreises Düren in Jülich 120 Plätze fehlten. Und Senioren sollten in der Stadt wohnen können, die sie selbst nach dem Krieg wieder mit aufgebaut hätten. Eine Ghettoisieren oder „Wohnen auf der grüne Wiese“ für Senioren lehnte Fuchs ausdrücklich ab. Der Platz für Hotel und Seniorenheim sei darüberhinaus ideal, weil der Bahnhof künftig eine größere Rolle spielen werde, und der Vollsortimentler würde darüber hinaus auch Senioren eine Möglichkeit geben, sich nach Schließung des letzten innerstädtischen Metzgers fußläufig an Frischetheken zu versorgen.

Zur Nachfrage: „Warum wird städtebaulich ein solcher Bruch erlaubt?“ ergriff Martin Schulz als 1. Beigeordneter der Stadt das Wort. „Wir befinden uns mitten in der Stadt. Eine Stadt muss sich entwickeln“, meinte er und unterstrich: „Wir sind mitten in der Stadt, aber außerhalb der Denkmalbereichssatzung!“

Wie viele Parkplätze entfallen würden, konnte nicht genau beziffert werden. Klar machte Projektplaner Tischler, dass alle Plätze der Sparkasse gehörten und das „Freiparken“ lediglich der Duldung des Unternehmens geschuldet sei. Neu entstehen werden 175 kostenpflichtige Plätze in der Tiefgarage. Nach dem „Schlüssel“ der Landesbauordnung hätten lediglich 100 Parkplätze geplant werden müssen. „Das ist für uns zu wenig“, sagte Tischler. Wie im Parkhaus Zitadelle wird per Kamera-System eine Kennzeichenerfassung installiert. Es wird keine Schranken geben.

Viel Raum nahm das Thema: Schwanen-Quartier und Radfahrverkehr ein. Unglaublich sei, dass eine Planung ohne Berücksichtigung von Radfahrenden vorgenommen wurde. Andreas Tischler erläuterte: „Wir können an der bestehenden Verkehrsstruktur nichts ändern.“ Wie man zukünftig mit Verkehr umgehe, das müsse globaler in der Stadt geklärt werden. Wenn es nach ihm ginge – er sei selbst Vater von radfahrenden Kindern, könnte eine der drei Fahrbahnen zur Radfahrspur werden. Das aber liege in der Hoheit von StraßenNRW. Am Kreisverkehr ist eine Querung für Fußgänger durch Zebrastreifen vorgesehen. Das werde Autofahrer eher ausbremsen, meint Tischler, und die Verkehrssituation sicherer machen. Bezüglich der schon heute kritisierten lange Schrankenschließzeiten unterstrich der Projektverantwortliche, dass auch sein Unternehmen höchstes Interesse daran habe, dass dieses verkürzt würden – was dem fließenden Verkehr dienen wird. Er regte an: „Das Verkehrsgutachten ist öffentlich, und da können Sie alles einsehen.“ Außerdem könne es als Datei heruntergeladen werden.

Foto: tee

Fast bedrohlich klang eine Frage: „Hat Ihr Investor die Lunge, die Klagezeit auszuhalten?“ Offenbar ging der Frager davon aus, dass einige der Anrainer den Gerichtsweg beschreiten werden, um den Bau zu verhindern. Bürgermeister Fuchs machte noch einmal deutlich, dass das Areal an der Bahnhofstraße Privateigentum sei, es sich also keineswegs um einen Investor der Stadt handele. Er rief die Anwesenden dazu auf, das Projekt als Chance zu begreifen. Unvermutete Unterstützung erhielt er von Max Lenzenhuber, der vis-a-vis des Quartiers seine Gastronomie „Schwan“ errichtet. Auch diese stand erst wegen des Abrisses der Trinkhalle und heute wegen der Gebäudegröße in der Kritik. Jetzt meldete er sich als Betroffener zu Wort: „Ich könnte ja auch sagen: Das stört meine Gäste, weil ihnen auf der Terrasse die Sonne genommen wird.“ So käme man nicht weiter. Zu kritischen Fragen ermunterte er, denn das würde das Projekt beleben und verbessern – er spräche aus Erfahrung. Aber er führte den Anwesenden auch die Bedeutung um das Gelingen des Projektes vor Augen. „Hotelgäste sind sehr konsumfreudig. Das können wir doch nicht nach draußen geben!“ Die Anwesenden bräuchten keine Veränderungen mehr, aber im Sinne der Jugend und künftigen Generationen seien Veränderungen in der Stadt notwendig.

Axel Fuchs meldete sich abschließend zu Wort und dankte für den respektvoller Umgang, sagte aber auch: „Am letzten Ende entscheidet der Rat.“


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