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Viel Zustimmung – FDP im Abseits

Noch im Mai hatten Politik und Verwaltung miteinander gerungen, wie eine Steuererhöhung für die Jülicher vermeidbar wäre. Klar wurde aber, dass ein ausgeglichener Haushalt nur über eine Anhebung von Grundsteuer A (auf 430 Prozent) und B möglich sein würde. Kurz vor der entscheidenden Ratssitzung war fraglich, ob alle Ratsdamen und -Herren dem Haushalt zustimmen würden.

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Bei der letzten Sitzung des Rates vor der Sommerpause fiel in der Kulturmuschel die Entscheidung für den Haushalt 2022. Foto: Olaf Kiel
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Am Ende war die Entscheidung eindeutig: Bei vier Gegenstimmen, einer Enthaltung und 33 Ja-Stimmen wurde der Haushalt der Stadt Jülich in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause verabschiedet. Damit ist die Grundvoraussetzung für die Handlungsfähigkeit der Kommune gewährleistet.

Vorausgegangen waren der Abstimmung die traditionellen Haushaltsreden der Fraktionen. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte gab es reichlich Übereinstimmungen. Klar wurde: Es darf nicht nur an der „Steuerschraube“ gedreht werden. Harald Garding (SPD) forderte die Mandatsträger und die Verwaltung auf, kreativ zu werden, nicht nur nach Berlin und Düsseldorf zu schauen, sondern selbst nach Möglichkeiten für Einsparungen zu suchen. Die Ansätze hierzu waren politisch motiviert selbstverständlich sehr unterschiedlich. Deutlich wurde aber auch: „Wenn wir Jülich kaputtsparen, laufen uns die jungen Leute und die Einwohner weg“, wie Heinz Frey (UWG JÜL) betonte. Er zitierte Bürgermeister Axel Fuchs, der gesagt habe: „,Wir müssen heute in Jülich investieren, damit wir morgen profitieren‘. Jülich ist auf einem guten Weg, das können wir nicht gefährden. Das kostet heute Geld, das sollten wir alle in die Zukunft Jülichs einbringen.“ In dieselbe Kerbe hieb Sebastian Steininger (Bündnis 90/Grüne), der „kaputtsparen keine Lösung“ fand. Beim Haushalt gehe es um die Finanzierung einer funktionierenden Stadtverwaltung und die Bereitstellung von Geldern für notwendige Ausgaben. Fraktionsübergreifend formuliert wurde auch der Wunsch nach größerer Transparenz und mehr Kommunikation zwischen Politik und Verwaltung – auch informell, wie Marco Johnen (CDU) unterstrich. Beispielhaft brachte er die Pläne für eine Quartiersentwicklung „An den Aspen„, die für eine substantielle Beratung viel zu spät bekannt gemacht worden wäre. Einhellig formuliert wurde auch die Forderung, dass künftig der Haushalt früher eingebracht werden müsse. Hier nahm allerdings Johnen auch die Politik in die Pflicht, die zügiger beraten solle.

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Den Haushaltsreden gemeinsam war ebenfalls der Hinweis, dass die Schwierigkeiten keineswegs „jülich-spezifisch“ sind. „Unter dem Strich bin ich der Überzeugung, dass die Finanzierung unserer Kommunen kurz vor dem Kollaps steht“, sagte Marco Johnen. „Wir leisten uns beileibe keinen Luxus, bekommen aber immer mehr Aufgaben. Bund und Land müssen Verantwortung übernehmen, sonst ist die Selbstverwaltung am Ende.“ Die äußeren Umstände durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, die damit verbundenen Steigerungen der Preise bei Grundnahrungsmitteln, Bau- und Energiekosten sind zwei weitere Punkte, die die Bevölkerung wie die Stadt gleichermaßen betreffen. 50 Prozent der Kosten, so konstatierte Heinz Frey, seien fremdbestimmt. Ein Ansatz für die JÜL ist darum die Überprüfung von Umlagen auf die Kommunen. Sebastian Steininger möchte die „Herkulesaufgabe“ Energiekosten angegangen wissen und ruft auf, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen – vor allem öffentlich und nicht in Lenkungskreisen „im Hinterzimmer“. „Die Jülicher Kommunalpolitik muss lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen“, forderte Steininger und sagte: „Jülich ist kein Dorf und keine Metropole. Jülich hat Potential, das es zu heben gilt. Große Luftschlösser helfen uns dabei nicht weiter. Viele Hoffnungen liegen auf dem Strukturwandel. Doch der wird frühestens in 10 Jahren spürbare Erfolge bringen.“Marco Johnen regte wie auch Harald Garding das Abspecken oder Aufschieben von Projekten an. Dies betrifft vor allem InHK-Maßnahmen. „So verlockend Förderprogramme auch sein mögen, wir dürfen nicht auf jeden Zug aufspringen, der sich anbietet“, mahnte Johnen. Es gelte die  Folgekosten im Blick zu behalten. Harald Garding forderte, dass sich auch die Verwaltung hinterfragen lassen müsse. Es dürfe keine Denkverbote geben.

Diesen hat sich gut hörbar die FDP jedenfalls für diese Haushaltsrede nicht unterworfen. „In Jülich tut sich was, das ist gut so“, sagte Frank Bourgignon für seine Fraktion. „Aber zurzeit setzen wir bei unseren Ausgaben, bei unserem Investment allzu sehr auf die Hoffnung auf Wachstum. Es ist eine riskante Wette auf die Zukunft, die wir betreiben. Auf den Brainergy Park, auf neue Einwohner, auf höhere Schlüsselzuweisungen. Der Bogen ist bereits sehr stark gespannt, überspannen wir ihn nicht. Ein Reißen der Sehne können wir uns nicht erlauben.“ Daher forderte er „alte liebgewonnene freiwillige Leistungen“ zu hinterfragen und aus der Komfortzonen zu kommen. Konkret stellte die FDP die Stadtbücherei zur Diskussion und die Frage: „Brauchen wir im Zeitalter der Digitalisierung in dem so ziemlich alles an Medien gestreamt und downgeloaded wird, in dem bereits die Kinderbücher mittels Reader ,verschlungen‘ werden noch eine Stadtbücherei?“ Diese Frage des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden, der im Hauptberuf Lehrer ist, löste allgemeine Sprachlosigkeit in der Ratsrunde aus, die sich auch in ausbleibendem Beifall nach der Rede ausdrückte, wie es ansonsten gute Sitte ist.


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