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Jülich – gelebte Inklusion?

Inklusion und Sport - dass das prima zusammenpasst war bei den Special Olympics gut zu sehen. Die libanesische Delegation hat sich der Host Town Jülich fit gemacht für das Ereignis. Eine Gelegenheit, sich in der Herzogstadt einmal umzuhören, welche Angebote für Menschen mit Handicap Sportvereine bieten.

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Beim Training der Breitensportgruppe des TTC indeland Jülich. Foto: Ariane Schenk
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17 Tischtennisplatten sind in der Nordhalle, der Sporthalle der GGS Nord, aufgebaut. Überall ist Action: Bälle fliegen, Menschen bewegen sich hin und her, holen Bälle, schlagen. Sie alle sind dabei unterschiedlich. Nicht nur, weil gleichzeitig Jung und Alt trainieren, sondern im Rahmen der Breitensportgruppe spielen auch drei Menschen im Rollstuhl an den Tischen. Sie sind nicht die einzigen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die in der Gruppe ihren Platz finden.

Eigentlich fällt das im Spielgeschehen aber auch gar nicht auf. „Haben wir nicht alle unsere Einschränkungen und wenn nicht das, dann unsere Spleens?“, fragt der Vorsitzende des TTC indeland Jülich, Michael Küven. Sicher, man muss sich in gewisser Weise anpassen. Wenn zwei Rollstuhlfahrende gleichzeitig spielen würden, dann wären sie nur mit dem Aufheben der Bälle beschäftigt, so der Vorsitzende, darum werden die Tische immer so verteilt, dass jemand ohne Rollstuhl ihnen gegenüber steht. Aber muss man nicht auch in allen anderen Fällen auf die Möglichkeiten des jeweiligen Menschen Rücksicht nehmen?

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Auf Rückfrage wird von zweien der Rollstuhlnutzenden bestätigt, sich sehr wohl zu fühlen und überhaupt nicht zu empfinden, dass sie in einer Sonderstellung stehen würden. Gelebte Inklusion, wie es in zahlreichen heutigen Leitlinien gewünscht ist. Das Einzige, was sich bisher ändern musste, ist die Anschaffung dreier rollstuhlgerechter Tische. Worin sie sich von anderen unterscheiden: Das Gestell ist mittiger platziert, damit genug Raum unter der Platte für den Rollstuhl ist. Ein Detail, das für das uninformierte Auge kaum zu sehen ist. „Ich wusste das vorher gar nicht“, sagt auch eine der Befragten.

Der Tischtennisclub geht dabei nicht nur im Sportbetrieb als solchem als Vorbild voran, sondern möchte auch anderen Vereinen Inklusion erleichtern: Das Anmeldeformular wird aktuell in leichte Sprache übersetzt, damit die Teilnahme am Vereinsleben möglichst niederschwellig wird. Dieses soll anschließend zur Verfügung gestellt werden, damit nicht alle Vereine den Betrag im vierstelligen Bereich dafür ausgeben müssen.

Wenn man sich das Training beim TTC indeland ansieht, dann wirkt das mit der Inklusion gar nicht so schwierig oder als würde es sich von anderem Training unterscheiden. Dennoch ist es nicht einfach, inklusive Angebote in Sportvereinen zu finden. Auf Nachfrage der Redaktion gab es viele negative Rückmeldungen. Bis zur Veröffentlichung des Artikels und inklusive des Tischtennisvereins gaben lediglich fünf Vereine und Sportinstitutionen, die nicht von ihrem Prinzip her inklusiv ausgerichtet sind, an, spezielle Angebote für Menschen mit Handicap zu haben oder, dass sie ihr Training offen gestalten.

Die Tanzschule Baulig teilt mit, dass nicht nur ihre Kurse für jeden offen seien, sondern im Programm auch eine rein integrative Tanzgruppe angeboten werde, die speziell auf Menschen mit Handicap zugeschnitten sei. Auch das Tanzstudio Jülich Nina Romm bietet zwei Integrativkurse im Bereich Hip Hop an, davon einen für Jugendliche und Erwachsene sowie einen für Kinder ab acht Jahren. Vom Jülicher Judoclub ist zu erfahren, dass alle Trainings offen sind und das Sportstudio Clever Fit bietet eine Betreuung an, die von dem ohnehin für alle geltenden Trainingsplan Erstellen über eine Zusammenarbeit mit dem persönlichen therapeutischen und medizinischen Personal und Hilfestellungen beim Nutzen der Geräte reicht. Außerdem darf bei Bedarf eine betreuende Person das Mitglied in den barrierefreien Räumlichkeiten, die schon vom Kader der libanesischen Delegation der Special Olympics World Games genutzt wurden, begleiten.

Athlet und begleitendes Mitglied der libanesischen Delegation zusammen mit Trainer von Clever Fit in selbigem Studio. Foto: Ariane Schenk

Dass es so wenige positive Rückmeldungen gab mag überraschen. Nicht nur die Delegation war in diesem Sommer in Jülich, eine Zeit, in der es so schien, als hätte die Herzogstadt das Thema Inklusion bereits fest im Blick und ginge stolz nach vorn. Auch das Programm der Inklusiven und Fairen Sportwoche, die in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal stattfand, wirkt einigermaßen voll – und es sind ein paar weitere Angebote in der zweiten Ausgabe dazugekommen. Aus den Flyern ist immerhin zu entnehmen, dass sich noch die Stadt Jülich selbst zusammen mit dem ersten Vorsitzenden der Viktoria Koslar sowie ihrer Boule-Bahn im Nordviertel, die ohnehin inklusive und für alle offene Dartmannschaft DC Handpower Effects des Stammhauses, der Tennisclub Rot Weiß Jülich und der Jülicher Wassersportverein mit Angeboten beteiligt hatten.

Sicher ist, dass es in der Jülicher Sportwelt aktuell noch Luft nach Oben gibt, um alle Menschen mitzudenken. Dabei muss Sport nicht immer mit einem Wettbewerbsdenken verknüpft werden. Michael Küven sagt, dass eine große Stärke „seiner“ Breitensportgruppe ist, dass alle auf einander Rücksicht nehmen und unproblematisch sofort einen neuen Platz auch zusammen mit im Rollstuhl Spielenden beziehen, wenn er die Tischbesetzungen neu verteilt. Dass der Anspruch ein anderer sein muss als etwa bei den Bundesligisten des Vereins erklärt sich auch von selbst, in dieser speziellen Gruppe spielen nicht ohne Grund Spieler ohne Handicap, die über das „eigentliche“ Wettbewerbsalter hinaus sind. Aber vielleicht sollten, auch um das Ziel weiträumig gelebter Inklusion zu erreichen, bei allem gesellschaftlichen Umdenken der heutigen Zeit Spaß und Begeisterung als Motivation mehr Gewicht bekommen.


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