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Kommando Schlagfertig

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Illustration: Sopio
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Verschlagen blickten dunkle Schemen um die Ecke. Das düstere Grau in Grau des Zwielichts schützte die Gestalten. Sie hatten sich fest vorgenommen, ihr Vorhaben durchzuziehen. In der Stille dröhnte ihnen der Herzschlag in den Ohren. Hatten sie alles bedacht? Genügend Vorkehrungen getroffen? Sich ausreichend beratschlagt? Für einen Rückzug war es nun zu spät.

Auf leisen Sohlen schlichen sie voran. Durch die vertraute Umgebung aus bis vor Kurzem noch ausgeschlagenen Bäumen, der großen Kirche und dem selbst zu später Stunde noch verdächtig fröhlich plätschernden Bach. „Kommando Schlagfertig“ hatten sie sich getauft. Das war auf Kims Mist gewachsen. „Worte zählen heute eh mehr als Fakten“, war das Argument gewesen – auch für die Aktion an sich. So überzeugt sie zuvor von ihrer Idee waren, so sehr traute sich niemand, die massiven Bedenken auszusprechen, die sich gerade in ihren Köpfen bilden wollten. Doch bevor sich ihre Zweifel festsetzen konnten, zerschlugen sie sich auch schon wieder.

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Das meterlange Plakat, das sie leicht zusammengerollt zu viert trugen, hatte definitiv schon bessere Zeiten gesehen. Bis zu ihrem Vorhaben hatte es sein Dasein in der hintersten Ecke eines alten Verschlags gefristet. Das Material wirkte von der Sonne vergilbt und selbst leicht angeschlagen. Auch die Farbe, mit der sie ihre Worte zu pinseln versucht hatten, konnte nicht mehr wirklich überzeugen. Aber das war nicht von Relevanz, wichtiger war die Intention.

Plötzlich ein Lichtschein! Die vier schlugen sich ins Dickicht neben dem Gehweg. Es war von äußerster Wichtigkeit, dass niemand ihr Vorhaben vor der Vollendung entdeckte. Der Plan war zu wichtig, als dass er auffliegen durfte. War es ein Autoscheinwerfer gewesen? Suchte jemand nach ihnen mit einer Taschenlampe? Sie hielten den Atem an. Hatte ihr letztes Stündlein geschlagen? Oft genug schon waren jene, die die Wahrheit offenbaren wollten, abgefangen und mundtot gemacht worden. Die Anspannung schien regelrecht erschlagend.

Eine gefühlte Ewigkeit standen sie dort, ehe sich das erste Gruppenmitglied traute, wieder auszuatmen. Langsam, ganz langsam drehten sie sich um und spähten auf die Straße. War die Gefahr gebannt? Konnten sie weiterhin ihr Revoluzzertum ausüben? Oder wartete jemand nur darauf, dass sie sich sicher fühlten, um zum finalen Schlag auszuholen? Nach und nach tasteten sie sich vor, bis klar war, dass sie allein und ungestört waren. Glück gehabt! Und Zeit, noch einmal alle Punkte durchzugehen.
„Die wird morgen der Schlag treffen!“, wurde gemurmelt, als sie sich wieder auf den Weg machten. „Die Aktion wird richtig einschlagen!“ – so zumindest die Hoffnung. Und der aktuelle war sowieso nicht der richtige Zeitpunkt, um über mögliche Konsequenzen nachzudenken.

Nur noch ein paar Schritte, dann hatte die Gruppe ihr Ziel erreicht. Das große Gebäude ragte gewaltiger als noch tagsüber in die lauwarme Nachtluft. Geschlagene fünf Minuten brauchten sie, um sich zum praktischen Teil ihres Vorhabens durchzuringen. Bis zu diesem Punkt waren sie in ihren Vorüberlegungen gelangt. Doch die Realität schlug doch komplizierter zu Buche als angenommen. Wie genau sollten sie nur dort hochkommen? Die glatten Wände schienen jedenfalls keine guten Startpunkte zu sein. Kurz bevor sie sich geschlagen geben wollten, fand Alex doch noch eine Möglichkeit, sich auf dem leichten Vorsprung zu platzieren.

Nun stellte sich die nächste Hürde. Wie war ihre Botschaft am besten anzubringen? Das Laken anschlagen? Nein, vielleicht doch lieber festbinden. Sorgsam bemühten sie sich, ihren Tritt nicht zu verlieren. Würden sie es schaffen, den Plan umzusetzen? Schließlich gab es auch eine selbst gesetzte Frist: Sie wollten fertig sein, ehe der Kirchturm Mitternacht ausgeläutet hatte.

Schritt für Schritt ging es Zentimeter um Zentimeter vorwärts. Eine Hand am Transparent, eine Hand am Mauerwerk – und hinter ihnen wartete der Abgrund. Die Fenster beschlugen, so eng lehnte sich die Truppe an sie. Viel zu leicht war es, einen falschen Schritt zu machen. Die ersten hatten gerade ihren Stand gefunden und waren dabei, ihre Plakatseite festzubinden, da verlor Luca den Tritt. Rutschte. Stürzte. Auf einen Schlag waren alle wieder hellwach. Einen Augenschlag lang schien alles verloren, dann sahen sie, dass das Gitter vor dem Fenster die Rettung gewesen war. Mit vereinten Kräften wurde Luca wieder hochgezogen, und nachdem der erste Schreck verdaut war, konnten sie ihre Aufgabe fortführen.

Und tatsächlich: Pünktlich zum letzten Glockenschlag waren sie endlich fertig. Sam wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn, kletterte hinab und trat zurück, um stolz das Ergebnis ihrer Arbeit zu bewundern. Auf dem riesigen Banner, das sie vor dem Rathaus aufgehängt hatten, prangte in großen roten, unsauber gezogenen Buchstaben: „Wenn’s regnet im Mai, April vorbei.“

Was man eben für wichtig hält, wenn man ein paar Stunden zuvor ein Fass angeschlagen hat.


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