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Bowle oder Punsch

… das ist hier die Frage.

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Lustige bowlige Kindheitserinnerungen… Aber keine Sorge: Früher stand immer ein großes grünes Glas auf einer alten Tischnähmaschine in unserem Flur. Darin ein immer zur Erntezeit neu angesetzter Kirsch-Rumtopf. Fasziniert bis angeekelt stand ich da des Öfteren davor und betrachtete die immer farblos werdenden Kirschen und die Haare und Fuseln, die meiner Meinung nach daran klebten. Hob man den Deckel, fuhr man halb betäubt zurück ob der alkoholischen Dämpfe und des Gestanks. So empfand es zumindest mein kindliches Ich. Heute weiß ich, dass es keine Haare waren, wohl aber der fortschreitende Zersetzungsprozess durch den hochprozentigen Alkohol. Vielleicht liegt es daran, dass ich nie die Begeisterung meiner Mitschülerinnen und Mitschüler und später Mitstudierenden teilen konnte, wenn es um das ultimative Bowle-Rezept ging, auch wenn Aufgesetzter ja keine richtige Bowle ist.

Schlammbowle, Fruchtbowle, Maibowle, Bowle direkt in der geköpften Wassermelone – all das nichts für mich. Ein kaltes Bier war und ist mir schon immer lieber. Nichtsdestotrotz gab es aber natürlich zu jeder WG Party eine riesige Wäschewanne voll der gelobten Klebrigkeit. Darin dosenweise Cocktailfrüchte, auch mal gefrorene Erdbeeren oder was auch immer gerade der heiße Scheiß der Saison war. Je nachdem wie lange vorher angesetzt so oder so tückische kleine Biester, von den Freundinnen meiner Mutter liebevoll Möppchen genannt, von den Befreundeten in der Studienzeit begeistert geangelt. Vollgesaugt mit Alkohol und dort konzentriert, verschätzt man sich gern, was den eigenen Alkoholpegel angeht. Mir nur als berüchtigter Tequila-Hammer bekannt, Bowle trinke ich ja nicht. Ich erinnere mich deshalb leider auch nur zu gut, wie oft ich oder einer meiner Mitbewohner die unter dem Balkon parkenden Fahrräder mit der Gießkanne künstlich freiregnen musste. Sie wissen vielleicht, worauf ich anspiele.

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Mit der Bowle beginnt im Kopf die Frühlings- / Sommerzeit. Deshalb ist sie meiner Meinung nach auch so beliebt. Sonne, Grillen, ein Glas Bowle im Garten. Traditionell scheint das weit verbreitet zu sein in Deutschland oder zumindest gewesen in den 50er bis 70er Jahren. Findet sich doch in annähernd jedem elterlichen / großelterlichen Haushalt ein Bowle-Set, gerne aus Bleikristall und natürlich nur zu den „guten“ Gelegenheiten hervorgeholt. Klar, wer macht sich schon an einem Dienstag eine Schale Bowle für sich selbst? Wohl nur Menschen, die eventuell doch ein kleines Alkoholproblem haben. Leider sind diese Sets deswegen auch nur leidlich wenig genutzt. Ursula Ott brachte mich auf den Gedanken, dass dieses Phänomen nicht nur in meinem Freundes- und Bekanntenkreise existiert. Sie schreibt darüber in ihrem Buch „Das Haus meiner Eltern hat viele Räume“ und auch sie scheint nicht wirklich ein Bowle Fan zu sein: „Ich konnte mich kaum an lustige Partys erinnern mit vielen Bowlegläsern, am ehesten fiel mir der dicke Kopf danach ein.“

Wo ist denn nun eigentlich der Unterschied zwischen Bowle und Punsch? Wikipedia sagt, der größte Unterschied sei die Serviertemperatur. Bowle kalt, Punsch warm. Die bekannteste Bowle, die Maibowle mit dem charakteristischen Waldmeister Aroma (und für mich ein weiterer Grund, dankend abzulehnen), gibt es, so heißt es dort weiter, seit dem 19. Jahrhundert. Die erste Bowle wurde wahrscheinlich viel früher serviert. Das legt zumindest ein Buchfund aus der Klosterbibliothek zu Fulda nahe. In einer Schrift von 1417 wird ein Getränk erwähnt, das aus Wein, Rosenblüten, Fichtennadeln und Honig besteht und in einem bowleähnlichen Gefäß serviert wurde. Der Hang zum Alkoholpanschen scheint dem Menschen wohl im Blut zu liegen.

Wofür ich mich auf jeden Fall begeistern kann – auch wenn es, wie wir gerade gelernt haben, keine Bowle ist, sondern Punsch – ist eine gute Feuerzangenbowle. Die coole Winterschwester der SchickiMicki Mailbowle also. Wärmend und voll Erinnerungen an viele Abende mit Freunden und dem gleichnamigen Filmklassiker mit Heinz Rühmann. Vielleicht liegt es an den fehlenden Möppchen – hier sind ja lediglich Gewürze und Orangenscheiben enthalten – wahrscheinlicher ist es aber der Fenker in mir, der kleine Feuerteufel, der sich diebisch freut, den Hochprozentigen abzufackeln und dabei dem bläulich brennenden Zucker beim Schmelzen zuzusehen. Bestimmt ist dadurch auch der Alkoholgehalt niedriger, was mir entgegenkäme. Eine Bowle hat allerdings normalerweise sowieso nur zwischen 5 und 6 %, was ganz sicher auf keine einzige der Varianten in meiner ehemaligen WG zutraf. Die waren aber auch eher auf Wodka als auf Weißwein-Basis.

Wo wir schon im hoffentlich jetzt fernen Winter angekommen sind: Bei mir ist Silvester nicht fest verknüpft mit „Dinner for one“, sondern vielmehr mit der Silvesterfolge von „Ein Herz und eine Seele“ mit dem Titel „Silvesterpunsch“. Ekel Alfred und sein Punsch, der, wie man feststellen kann, eigentlich nur aus Rum besteht, gänzlich ohne andere Zutaten. Glück für den Rest seiner Familie ist, dass er alles größtenteils alleine trinkt. Der dicke Kopf gebührt also auch ihm ganz allein.

Aber nun lieber zurück in den Frühling: Warum gibt es so viele Bowle Rezepte, nicht nur für die bekannte Maibowle? Vermutlich hängt der Wunsch nach geselligem Alkoholkonsum auch mit dem generellen Wunsch der Menschen nach Gesellschaft, nach Zweisamkeit zusammen. Der Mensch, das Rudeltier. Feiert man im Süden Deutschlands Ende April eher die Walpurgisnacht, so sind es hier bei uns im Rheinland die Maifeste mit all ihren teils sehr alten Traditionen. Man möchte raus, flirten, das Leben genießen. Gerne gemeinsam, gerne mit einem Kaltgetränk in der Hand. Es muss ja auch nicht immer alkoholisch sein. Es gibt schließlich auch zig alkoholfreie Varianten!

Auch wenn ich ja nun kein Fan bin, hier ein Rezept für eine Bowle, die sogar ich mag:

Schlammbowle:

1 Dose Pfirsiche
1 Flasche Wodka
500 ml Weißwein
2 Liter Maracuja Nektar
2 Pakete Vanilleeis (etwa 2 l)

Pfirsiche abtropfen lassen und würfeln, etwa zwei Stunden im Wodka ziehen lassen. Dann alles mischen. Et voilá.

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Andrea Eßer
In Jülich geboren und dann nach der Schule ab in den Süden zum Studium der Wortjonglage. Nach einer abwechslungsreichen Lehrzeit mit den Prominenten dieser Welt, überwog das Heimweh nach dem schönen Rheinland und Jülich im Speziellen. Deckname Lottofee, liebt ihre Familie, Süßigkeiten, Kaffee, alles Geschriebene und Torsten Sträter. Anfällig für sämtliche Suchtmittel (nur die legalen natürlich). Hat schon mal eine Ehrenurkunde gewonnen und ihre erste Zeitung bereits mit zehn Jahren herausgegeben. Hauptberuflich strenger Händchenhalter eines Haufens vornehmlich junger Männer. Der Tag hat notorisch zu wenige Stunden für alle Pläne und kreativen Vorhaben, die meiste Zeit etwas verwirrt.

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