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Der Wonneproppen

Ottheinrich von Pfalz-Neuburg

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Grafik beruht auf dem Original von Barthel Beham, Bildnis des Pfalzgrafen Ottheinrich, Herzog von Pfalz-Neuburg, Öl auf Leinwand 97x71,2 cm von 1533
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Wegen seiner beachtlichen Leibesfülle konnte er zuletzt kaum mehr selber gehen. Schon kurze Strecken raubten ihm den Atem. So ließ er sich denn gerne in einer Sänfte tragen. Ganz offen ging er aber damit um: Repräsentative Porträts zeigen seinen unförmigen Körper, neben dem seine Frau klein und zerbrechlich scheint. Die Rede ist hier von Ottheinrich von Pfalz-Neuburg, zuletzt Kurfürst von der Pfalz. Geboren wurde er 1502, gestorben ist er 1559. Ein Renaissancefürst wie er im Buche steht, eine der zentralen Gestalten des Reformationsjahrhunderts, die es sich im 500. Jahr der Wiederkehr des Thesenanschlags von Martin Luther lohnt, genauer in den Blick zu nehmen.

Abb.: Dietrich Schro, Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz, Alabaster 1556.

Ottheinrich war früh das, was man einen Wonneproppen nennt, ein dicklicher Mensch, aber mit einem einnehmenden Wesen. Ottheinrich und sein etwas jüngerer Bruder Philipp waren schon 1504 Vollwaisen geworden, die unter die Vormundschaft ihres Onkels Friedrich von der Pfalz gestellt wurden. 1505 wurde ihnen das durch den Kaiser neu geschaffene Territorium Pfalz-Neuburg, auch die „Junge Pfalz“ genannt, mit der Residenzstadt Neuburg an der Donau zugesprochen. Dieses Gebiet hatte den Landshuter Erbfolgekrieg innerhalb des Hauses Wittelsbach als Vorgeschichte, der uns hier aber weiter nicht interessiert. Aus Jülicher Perspektive wichtiger ist, dass es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg und Pfalz-Neuburg gab.

Grafik beruht auf dem Original von Barthel Beham, Bildnis des Pfalzgrafen Ottheinrich, Herzog von Pfalz-Neuburg, Öl auf Leinwand 97×71,2 cm von 1533
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1574 heiratete Anna von Jülich-Kleve-Berg, zweitälteste Tochter Herzog Wilhelms V., genannt „der Reiche“, Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, ein Verwandter Ottheinrichs aus der wittelsbachischen Linie Zweibrücken, die seit 1556 über das kleine Territorium an der Donau regierte. Die Eheverbindung mit dem Haus Jülich-Kleve-Berg war ein enormer Prestigegewinn. Nach dem Tod Herzog Johann Wilhelms I. von Jülich-Kleve-Berg ohne männlichem Nachkommen 1609 erlaubte diese Verbindung zudem den Sprung an den Niederrhein. Im jülich-klevischen Erbfolgestreit konnte sich das Haus Pfalz-Neuburg die Herzogtümer Jülich und Berg sichern. Die Jülicher wurden für nahezu zwei Jahrhunderte Untertanen von Wittelsbachern. Kommt man heute in das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Pfalz-Neuburg, begegnen einem auf Schritt und Tritt, beispielsweise in Neuburg an der Donau oder in Höchstädt, Zeugnisse der Jülicher Geschichte. Insoweit lohnt gerade in diesem Jahr ein Besuch von Neuburg an der Donau. Das dortige Stadtmuseum zeigt in den beeindruckenden Räumlichkeiten des Schlosses von Mitte Juli bis Anfang November die Ausstellung „FürstenMacht & wahrer Glaube. Reformation und Gegenreformation“. Auch das Museum Zitadelle Jülich gibt bedeutende Leihgaben nach Neuburg an der Donau, die die militärische Auseinandersetzung um die Landesfestung Jülich zu Beginn des 17. Jahrhunderts dokumentieren.

Abb.: Michael Ostendorfer, Einzug des Kurfürsten Ottheinrich in der Sänfte, Holzschnitt 1556.

Kehren wir aber zu unserem Wonneproppen Ottheinrich zurück. Schon früh zeigte sich trotz gediegener höfisch-ritterlicher Erziehung, dass der Pfalzgraf eher den schönen Dingen des Lebens zugeneigt war. Als er mit 20 im Jahr 1522 die Regentschaft übernahm, wurde schnell deutlich, dass seine anspruchsvolle Hofhaltung die Einnahmen seines kleinen Territoriums bei weitem überstiegen. Das interessierte den jungen Fürsten aber weniger. So war er noch vor dem offiziellen Regierungsantritt zu einer Pilgerreise nach Jerusalem aufgebrochen. Ein gefährliches und abenteuerliches Unterfangen, das Ottheinrich glücklich überstand und auf das er zeitlebens sehr stolz war. Schon mit 18 hatte er sich in seine Cousine Susanna verguckt, die aber vorerst einen anderen Mann heiratete. Als dieser 1527 starb, hielt er um ihre Hand an. Tatsächlich heiratete das Paar 1529. Eine unter Fürsten eher selten anzutreffende Heirat, die auf der gegenseitigen Sympathie der Ehepartner beruhte. Umso schwerer traf Ottheinrich der frühe Tod seiner Frau mit gerade einmal 41 Jahren 1543. Mehrere Fehlgeburten hatten Susanna schwer zugesetzt und ihre Lebensspanne verkürzt. Der schon damals schwergewichtige Ottheinrich – bereits 1532 war eine Kutsche unter seiner Last zusammengebrochen und man musste eine Mistkarre für die Weiterreise requirieren – setzte noch zusätzlichen Kummerspeck an. Zudem steuerte sein Territorium auf einen Staatsbankrott zu. Und als sei dies alles noch nicht genug, fasste der Fürst die schwerwiegende Entscheidung, sich von der katholischen Kirche abzuwenden und die Reformation lutherischer Prägung in Pfalz-Neuburg einzuführen. Damit geriet er vollends in die sich verschärfende Konfliktsituation zwischen den sich immer mehr verfestigenden konfessionellen Blöcken im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. 1544 musste er sein Territorium verlassen und zog nach Heidelberg, während sein geliebtes Pfalz-Neuburg 1546 von kaiserlichen Truppen geplündert und anschließend rekatholisiert wurde. Ottheinrich selbst hoffte nun darauf, die Erbfolge in der Kurpfalz antreten zu können. Tatsächlich wurde er aber von seinem Onkel, dem Kurfürsten von der Pfalz, ausgebootet, in dem dieser die Nachfolge seinem Bruder übertrug. Diese Zurücksetzung trug Ottheinrich mit Fassung und widmete sich seinen Studien und dem Sammeln von Büchern und alten Handschriften. 1556 kam er dann doch noch zum Zuge. Der von Gegnern oftmals belächelte Wonneproppen wurde Kurfürst von der Pfalz und damit der mächtigste unter den Reichsfürsten. Diese späte Genugtuung konnte er jedoch nur drei Jahre genießen. Am 12. Februar 1559, acht Wochen vor seinem 57. Geburtstag, verstarb Ottheinrich, der sich als 20-jähriger den Wahlspruch „Mit der Zeit“ gegeben hatte. „Mit der Zeit“ war er gegangen, aber auch ein Opfer derselben geworden.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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