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Die Waage Stickstoff

Stickstoff ist ein Element, das für alle Lebensformen essenziell ist. Seine Verfügbarkeit beeinflusst die globalen biogeochemischen Kreisläufe. Stickstoffmangel, aber auch Stickstoffüberschuss können ganze Ökosysteme gefährden. Ein markantes Beispiel für dieses empfindliche Gleichgewicht sind Mikroalgen, die in Symbiose mit Korallen leben. Ein internationales Forscherteam unter Jülicher Leitung fand jetzt heraus, dass Mikroalgen sehr schnell Stickstoff in Form von Guanin-Kristallen speichern können. Das kristalline Guanin erweist sich dabei als ein evolutionär uraltes, multifunktionales Werkzeug der Natur. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of National Academy of Sciences USA (PNAS) veröffentlicht.

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Lasermikroskopische Aufnahme von kristallinem Guanin (blau) in einer Alge der Gattung Symbiodinium. Foto: Anya Salih, University of Western Sydney
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Korallen gedeihen in nährstoffarmem Wasser, in dem Stickstoff nur zeitweise zur Verfügung steht. Unter einem menschengemachten Überangebot an Stickstoff leiden sie stark. Mikroalgen, Dinoflagellaten genannt, die in Symbiose mit den Algen leben, sind ein Teil des globalen Phytoplanktons, das für die Hälfte der globalen CO2-Aufnahme aus der Atmosphäre verantwortlich ist. Diese winzigen, aber immens wichtigen Pflanzen benötigen Stickstoffreserven, um in der schwankenden natürlichen Umgebung zu gedeihen.

Guanin ist eine der fünf primären Nukleinbasen, aus denen der genetische Code aller Lebewesen auf der Erde besteht. Als Teil komplexerer Moleküle liefert Guanin auch freie chemische Energie in allen Lebensformen. Kristallines Guanin dient als optisches Element, um Licht zu lenken oder zu fokussieren, wodurch Fischschuppen silbrig erscheinen oder die Sehkraft in den Augen von Tiefseefischen verbessert wird. Der Name Guanin steht auch für die Verbindung zur Landwirtschaft: Er wurde von dem deutschen Chemiker J. B. Unger geprägt, der die Verbindung erstmals aus Guano isolierte, das ist Vogelkot und war zu seiner Zeit ein wichtiger industrieller Dünger.

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Das Forscherteam aus Jülich, Prag, Moskau und Sydney untersuchte die chemische Beschaffenheit der kristallinen Einschlüsse in verschiedenen Mikroalgen und stellte fest, dass sie zum größten Teil aus Guanin bestehen. Mithilfe von isotopisch markierten Nährstoffen zeigten sie, dass Mikroalgen in der Lage sind, kristallines Guanin aus verschiedenen Stickstoffquellen wie Nitrat, Ammonium oder Harnstoff zu synthetisieren oder aus ihrer Umgebung zugeführtes Guanin aufzunehmen. Der kristalline Nährstoffspeicher wurde dann für das Algenwachstum genutzt, wenn die Zufuhr von außen ausfiel.

„Mikroalgen brauchen Phosphor und Stickstoff, um zu wachsen. Ein Überschuss an Nährstoffen kann aber schädlich sein, vor allem wenn das Verhältnis von Stickstoff zu Phosphor verändert ist“, erklärt Dr. Ladislav Nedbal vom Jülicher Institut für Pflanzenwissenschaften, der das Forschungsprojekt koordinierte. „Guanin ist bei physiologischem pH-Wert unlöslich und in seiner kristallinen Form weniger metabolisch aktiv als andere stickstoffreiche Verbindungen. Seine Anreicherung in großen Mengen und die Speicherung in den Zellen verursacht daher keine Stoffwechselstörungen.“

Diese Entdeckung liefert auch einen Hinweis darauf, wie empfindliche Organismen wie Riffkorallen schwankende Nährstoffbedingungen überleben – das Molekül Guanin fungiert als „Sicherheitsspeicher“. Die tschechischen und australischen Teampartner untersuchten Korallen, die in Aquarien gezüchtet und aus dem Great Barrier Reef entnommen wurden. Sie konnten nachweisen, dass Mikroalgen, die in Symbiose mit den Korallen leben, in der Lage sind, selbst kristallines Guanin, das im Ozean aus zerfallendem organischem Material verfügbar ist, aufzunehmen und zu speichern. Ihre Forschung trug dazu bei, Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die vor dem Hintergrund des fortschreitenden globalen Klimawandels die globalen biogeochemischen Kreisläufe regulieren.


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