Start featured „Scherzo für den Scherzog“ oder „Wer über wen herzog“

„Scherzo für den Scherzog“ oder „Wer über wen herzog“

Ein Gastbeitrag von Scharne Enk

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Ein Scherzo ist ein bewegtes, also schnelles, meist launiges und lebendiges Musikstück und wird oft als Satz in Sinfonien, Sonaten und der Kammermusik gespielt. Der Name kommt vom Italienischen „Scherz“ oder „Spaß“.

Ce n’est pas une Scherzo. C’est vrai. The truth, the whole truth and nothing but the truth. Tusch. Applaus.
Scherzo.
Aber was ist ein SCHERZOG? Etwa so eine Art Hofnarr?
Und was ist das überhaupt, ein Hofnarr?

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Wozu brauchten hohe Herrschaften den mehr oder weniger beliebten und oftmals berüchtigten Hofnarren? Der sogar die vielgenannte „Narrenfreiheit“ besaß, um tun und lassen und vor allem sagen zu können, was er wollte. Darin besaß er gar eine herausragende Stellung im Gegensatz zum gemeinen Volk.

Ursprünglich sollte er als fester Bestandteil eines Hofstaates die Chefs daran erinnern, dass jegliches menschliche Dasein, also auch ihres, vergänglich ist und sie somit kein Schindluder auf Erden treiben sollten. Schließlich gab es über ihnen noch einen ChefChef, der über alles wachte.

Später gehörten auch die Provokation und die Irritation zu den Handwerkszeugen eines Hofnarren. Ziel war es, das Verhalten der Herrschenden zu spiegeln, auf diplomatische Weise die Stimmung unter dem Volke zu vermitteln und durch kritische Fragen die Meinungsfindung zu erleichtern. Ja, er durfte zuweilen sogar die hohen Herrschaften parodieren. Also weit mehr als nur ein reiner Unterhalter und Spaßmacher.

Liest sich fast wie ein ethisches Verhaltensmuster für Journalisten. Wenn die sich bloß daran halten würden…

Nicht umsonst gibt es die Pressefreiheit, das Recht auf ungehinderte Ausübung der Journalisten-Tätigkeit, vor allem das Recht auf die staatlich unzensierte Veröffentlichung von Nachrichten und Meinungen. Also auch eine Art von Narrenfreiheit.

Siehe Glosse: Oftmals wird die (Polit-)Prominenz sinnbildlich auf den Arm genommen und so hinterfragt. Wie früher aus der Bütt zu Karneval. Als Kabinett-Kabarett.

Für die Jüngeren: Kabarett ist eine alte verstaubte Form von Comedy. Comedy hat ja irgendwie auch den Sinn, anderen Leuten den Spiegel vorzuhalten. Aber wie das mit Spiegeln halt so ist: Man schaut hinein und amüsiert sich königlich, wenn nicht sogar herzoglich, denn man erkennt dort die lieben Neben-Menschen, aber selten sich selbst.

Wie letztens bei der Comedy-Show „Stadtgesichter“: Schräg hinter mir amüsiert sich eine Frau herzlich über die Geschichte, die gerade einer der Comedianten über einen Menschen bringt, der im Schlaf schnarcht. So eine Art Thousandliner. Kennste, kennste.

Offenbar fühlt sie sich an irgendjemand näher Bekanntes erinnert. Und kichert nur vor sich hin. Wieso Spiegel? Ich? Nein, ich schnarche nicht!!!! Aber so etwas von vielen Ausrufungszeichen dahinter. So viele, wie die Tastatur hergibt. Obwohl Satzzeichen natürlich keine Rudeltiere sind. Aber dem muss doch Ausdruck verliehen werden. Schließlich weiß ich es genau. Ich habe mich noch nie schnarchen gehört!!!!!!

Als ob die vielen Ausrufungszeichen irgendetwas beweisen würden. Meine Frau sagt immer, sie möchte nicht so angeschrien werden. Ein guter Vergleich. Schließlich gibt es ja auch das Sprichwort „Wer schreit, hat unrecht“. Was natürlich per se auch nicht unbedingt stimmt.

Und auch mit dem Gebrauch von Sarkasmus und Ironie ist die benutzende Person nicht automatisch ein Verkünder der Wahrheit. Und der selbsternannte Hüter des seiner Ansicht nach guten Geschmacks keine Art Hofnarr, der der Welt Wahres kund tut.

Natürlich nicht. Hier gilt stets der Leitsatz: Dem Bohlen geht es nur um die Kohlen.
In Wirklichkeit ist dieser der Herrschende, der dem gewöhnlichen Volk mitteilt, welche Meinung er über sie zu haben gedenkt. Genau so schwülstig wie überflüssig. Und vor allem kaum diplomatisch.
Was eine Kindergarten-Erzieherin wohl zu ihm sagen würde, wenn er über ihre Kinder herziehen würde? Aber es sind halt Erwachsene. Die wissen bestimmt, was sie tun. Und wenn man ihnen den Kopf abreißt. Dann halt Kopf ab! Es wird bestimmt heilsam sein.

Aber der Dieter ist ja immer so lustig! Der holt doch auch nur die Menschen dort ab, wo sie sind. Und wenn sie halt schon alle über die Klippe gegangen sind und sich tief im Abgrund befinden, dann kann ich doch nix dafür! Na, da haben wir aber noch mal Schwein gehabt, was?

Den Menschen vor sich selbst schützen? Fürsorgepflicht? Was für ein Quatsch!

Es ist schon anstrengend genug, morgens in der KiTa oder tagsüber in der Verwaltung niemanden hervorzuheben – auch nicht namentlich. Und es ist schon schwierig genug, allen gerecht zu werden. Dann möchte man – und frau! – halt gerne abends vor der Glotze sich über schwache Beiträge bei den Voice Kids ablachen und wortreich erklären, warum eine bestimmte Person bei weitem nicht so talentiert wie die eigene Favoritin ist.

Haut se, haut se, immer auf die Schnauze! Immer schön die niederen Instinkte bedienen!

Ob etwas lustig ist? Das hört man am Gelächter und Fußstampfen. Und sieht es zuweilen an der roten Clownsnase.
Die rote Clownsnase. Letztens beschlich mich der Eindruck, dass die Idee dazu von dem purpurnen Knollengewächs herrührt, das manchen Menschen infolge zu hohen Alkoholgenusses mutiert. Das alte Sprichwort: Kinder und Betrunkene sagen stets die Wahrheit. Ach nee, das waren doch Narren… Wie war das noch mit den Betrunkenen?

Da muss ich noch ’ens dröver nachdenke. Am besten bei einem schönen Glas Kölsch. Hach ja.
Wie schön kann eigentlich so ein Glas sein? Das erinnert mich gerade an den Spruch „das schöne Geld“. Aber Geld ist ja gar nicht schön. Es macht vielleicht schön. So im Bewusstsein der Menschen. Mit Geld werden recht unattraktive Menschen ganz plötzlich zum Anziehungspunkt von überaus appetitlich aussehenden Genossinnen und Genossen. Zumindest rein äußerlich.

Wie es in deren Inneren aussieht, weiß man nicht. „Hübsch hässlich habt Ihr’s hier“, würde wohl Pater Braun in der 60er Jahre Version sagen.

Bei Alkohol funktioniert diese Methode übrigens sehr ähnlich. Vieles kann man sich schön saufen. Damit man sich einer äußerlich wenig schönen Person nähern und eine innerlich wenig schönen Person ertragen kann. Nur dass die Wirkung hier wie dort dummerweise irgendwann nachlässt.

Der Scherzog ist natürlich nicht der Hofnarr. Getreu dem Motto: Ce n’est pas une pipe. Dies ist nur das Abbild einer Pfeife. So ist auch der Scherzog nicht der Verkünder dessen, was gerade so abgeht, sondern eher dessen Abdruck.
Oder anders: Wahrheit liegt in jedem Wort, sogar in einer Lüge. Man muss nur bis ans Innerste gelangen.

Haben Sie schon jemals sich selbst zitiert? Macht Spaß. Ist aber nichts für diejenigen, die eine Wirkung erzielen möchten und dann völlig enttäuscht sind, wenn es niemand sonst versteht. Es kann ganz schön einsam da drinnen sein.
Dann muss man halt dafür sorgen, dass es da drinnen umso betriebsamer ist. Also im Heft. Der HERZOG, der gerade ein SCHERZOG ist. Und falls etwas auffällt, was auf keinen Fall wahr sein kann: Vielleicht liegt die Wahrheit ja etwas tiefer versteckt? So ganz tief drinnen.

Wer weiß. Wie schwarz. Nur halt das Gegenteil. Damit man etwas Schwarz auf Weiß nach Hause tragen kann. Und natürlich lesen.


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